Der Trakt
irgendwie glaube ich, er hätte mir nichts getan.«
»Das Risiko konnte ich nicht eingehen«, sagte Grohe.
Daniela hatte wieder die schreckliche Szene vor Augen,
diese toten Augen,
während der Kopf auf dem Boden aufschlug. Sie riss sich davon los. »Und was ist mit den anderen?«
»Wir haben Haas und seine Helfer verhaftet. Alleine das, was er uns da unten erzählt hat, reicht aus, sie sehr lange aus dem Verkehr zu ziehen.«
»Und … was haben Sie rausgef… –« Sie stockte. »
Das Schneerauschen.
Also, was wissen Sie über Dan… – über mich?«
Er nahm eine Seite einer Zeitung vom Beistelltisch und legte sie wortlos vor sie auf das Bett. »Fangen wir damit an.«
Zwei unscharfe Schwarzweißfotos zeigten Lukas und sie. Die Überschrift darüber lautete: ›Mutter und Sohn vermisst‹
.
Daniela sah von Wittschorek zu Grohe und las dann den Artikel.
Dort stand, dass ihre Vermieterin sich gewundert hatte, dass sie Daniela und Lukas Randstatt ein paar Tage lang nicht gesehen hatte. Normalerweise liefen sie sich täglich über den Weg. Sie hatte die Polizei alarmiert, die bei Frau Randstatts Arbeitsgeber, in der Verwaltung der Firma CerebMed Microsystems, erfuhr, dass die Mitarbeiterin schon mehrere Tage nicht an ihrem Arbeitsplatz erschienen war.
Daniela Randstatt war nicht verheiratet. Von dem Vater des Jungen hatte sie sich drei Jahre zuvor getrennt. Er lebte irgendwo im Ausland und war nicht auffindbar.
Die Bevölkerung wurde um Mithilfe gebeten.
Sie faltete die Zeitung zusammen und legte sie zurück auf das Tischchen.
»Ich kann mich an den Vater von Lukas nicht erinnern. Ich weiß, da gab es jemanden, aber …« Sie wischte sich über die Augen und sagte, an Wittschorek gewandt: »Erzählen Sie mir doch jetzt bitte, was Sie wissen.«
»Also gut«, sagte er. »Was Sie bisher nicht wissen, ist, dass ich eigentlich zum Landeskriminalamt gehöre und nicht zur Regensburger Polizei. Vor etwas mehr als einem Jahr hat der BND uns darüber informiert, dass die Münchener Firma CerebMed Microsystems versucht, mit verschiedenen ausländischen Geheimdiensten in Kontakt zu treten. Die Sache war hochbrisant, denn CerebMed hat wohl eine revolutionäre Technik zur Manipulation der Persönlichkeit angeboten. Nach Informationen des BND haben auch mindestens zwei östliche Länder Interesse bekundet, so dass reagiert werden musste. Ich hätte normalerweise niemals etwas mit der Sache zu tun gehabt, aber zufällig kannte ich den Sohn des Firmeninhabers, Robert Haas, aus unserer gemeinsamen Zeit in einem Münchener Internat.
Wir hatten lange Zeit nichts mehr voneinander gehört, und eines Abends hab ich ihn, natürlich ganz zufällig, in einem Club in der Innenstadt getroffen. Wir haben unser Wiedersehen mit viel Alkohol gefeiert, irgendwann hat er erzählt, dass er natürlich in die Firma seines Vaters eingestiegen war, aber größere Pläne hatte als sein alter Herr. Und ich hab ihm im Gegenzug anvertraut, dass ich bei der Polizei zwar gut verdiene, aber in Schwierigkeiten stecke, weil ich beim Spielen sehr viel Geld verloren hätte. Er wollte wissen, wo meine Dienststelle ist, und da ich in Regensburg einige Kollegen sehr gut kenne und wir wussten, dass Haas wiederum gute Beziehungen bis in die höchsten Kreise der Münchner Polizei hatte, hab ich ihm eben Regensburg genannt. Na ja, und als wir uns verabschiedet haben, wollte Robert wissen, ob ich vielleicht an einem Nebenjob interessiert wäre, um meine Schulden bezahlen zu können. Ich hab pro forma gezögert, aber nicht grundsätzlich abgelehnt.«
Wittschorek legte den Kopf ein wenig schräg und sagte: »Geht’s noch? Oder sind Sie müde, soll ich später weitererzählen?«
»Auf keinen Fall«, protestierte Daniela. »Erzählen Sie weiter.«
»Also gut. Es hat nur zwei Tage gedauert, bis Robert mich anrief – ob ich mir sein Jobangebot überlegt hätte. Wir haben uns also getroffen, und dieser Hans war schon mit dabei. Der war sehr wortkarg, hat mir nur ein paar Fragen gestellt. Mittlerweile hatte man mir den entsprechenden Background aufgebaut, und ich hab ihnen über mich verraten, was sie erfahren sollten. Robert zeigte sich sehr hilfsbereit, als ich schließlich zugegeben habe, dass ich schnellstmöglich 50 000 Euro bräuchte. ›Kannst dich sicher irgendwann revanchieren‹, hat er gemeint. Und ein paar Monate später hat er mir dann von einer revolutionären chirurgischen Technik erzählt, die sein Vater entwickelt hätte. Er kam ziemlich ins
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