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Der Trakt

Der Trakt

Titel: Der Trakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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aus den Menschen wie aus Sibylle Aurich?«, fragte Daniela voller Grauen.
    Haas’ Miene blieb unverändert. »Wir sind noch nicht am Ende unserer Arbeit. Es muss noch Feinarbeit geleistet werden. Leider muss der Stromstoß, den Synapsia durch die Nervenzellen des Spenders schickt, eine gewisse Intensität haben, damit die Schablone angefertigt werden kann. Diese Intensität führt dazu, dass die Enden der Nervenzellen, an denen synaptische Verbindungen bestehen, verbrennen. Sie sind danach unbrauchbar, in etwa als würde man die Festplatte eines Computers so löschen, dass sie nicht mehr beschrieben werden kann.«
    Sibylle war fassungslos, mit welcher Eiseskälte dieser Mann davon erzählte, wie er Menschen auf grauenvollste Weise verstümmelte.
    »Und wie kann es sein, dass sich Daniela als Sibylle nicht gewundert hat, dass ihr plötzlich ein anderes Gesicht im Spiegel entgegengesehen hat, Herr Wunderdoktor?«, fragte Rosie, die von allen Beteiligten offenbar noch am wenigsten geschockt war.
    »Einer der genialsten Schachzüge des menschlichen Gehirns«, erklärte Haas, als sei auch das sein Verdienst: »Wie ich eben schon ausführte, gleicht eine Erinnerung eher einem Puzzlespiel als einem starren Bild. In diesem Puzzlespiel gibt es häufig Lücken, die unser Gehirn dadurch ausfüllt, dass es die erfahrungsgemäß wahrscheinlichste Möglichkeit unserem Bewusstsein als Fakt präsentiert. Übrigens ist das auch die Erklärung für das Phänomen, dass vier Zeugen eines Autounfalls vier verschiedene Beschreibungen abgeben und alle davon überzeugt sind, dass ihre die richtige ist. Ebenso achtet das Gehirn darauf, dass nichts völlig Unmögliches an unseren Verstand herangelassen wird. Tja, als Jane zum ersten Mal in den Spiegel gesehen und im Unterbewusstsein registriert hat, dass dieses Gesicht nicht mit ihrer Erinnerung übereinstimmt, da hat ihr Hirn sofort reagiert und die logischste Erklärung als gegeben gesetzt. Da das Gesicht in der realen Gegenwart so aussah, wie Jane eben aussieht, und da weder eine Operation noch ein Unfall dafür als Erklärung in Frage kam, gab es nur eine logische Wahrheit: Die Erinnerung war falsch. Also hat ihr Gehirn sie gelöscht und durch das andere Gesicht ersetzt. In allen ähnlichen Situ… –«
    Hinter ihnen fiel eine Tür ins Schloss. Plötzlich stand Robert neben Daniela und packte Lukas am Arm. »Lass los«, sagte er hart und versuchte, den Jungen von ihr wegzuziehen, doch sie hielt ihren Sohn, der zu brüllen begann, mit beiden Armen umschlungen. »Lass meinen Jungen in Ruhe!« Sie beugte sich über ihr Kind und bildete mit ihrem ganzen Körper einen Schutzwall um ihn herum.
    Als Robert es nicht schaffte, Lukas aus ihren Armen zu ziehen, ließ er ihn los, wühlte seine Hand in Danielas Haare und zog ihren Kopf schmerzhaft nach oben. »Lass los! Sofort!«, brüllte er sie an. Die Schmerzen an der Kopfhaut waren so heftig, dass sie schreien musste, aber sie hielt Lukas weiter mit den Armen umklammert. »Du dämliche Kuh«, keuchte Robert. Sie registrierte seine Bewegung und wusste, was kommen würde, ohne es in Worten zu denken.
    Seine Faust war plötzlich riesengroß vor ihr und traf sie auf der Wange und am rechten Auge. Etwas explodierte in ihrem Kopf wie ein Feuerwerk, alles drehte sich um sie herum, ihre Arme und Beine gaben nach, und während sie wahrnahm, dass sie der Länge nach auf dem Boden aufschlug, schrie sie den Namen ihres Jungen.

43
    Als Rob auf Jane zuging, ahnte Hans, dass es Schwierigkeiten geben würde. Er hatte eine Antenne für die Entstehung von schwierigen Situationen, und Robs Körperhaltung sprach eine eindeutige Sprache.
    Als Rob den Jungen am Arm packte, sah Hans zum Doktor herüber. Er wartete darauf, dass der seinem dummen Sohn befahl, Jane in Ruhe zu lassen, aber der Doktor, unterbrochen bei seinem Vortrag, sah dem Treiben nur ungerührt zu. Hans war irritiert. Er beobachtete, wie Jane um ihren Jungen kämpfte und dass es Rob offenbar nicht gelang, ihr das Kind zu entreißen.
    Aber als Rob dann von dem Kind abließ und Janes Kopf an den Haaren hochzog, spannte sich Hans’ Körper bis aufs Äußerste. Er warf noch einen erneuten Blick zu dem Doktor, aber der rührte sich nicht. Dann sah Hans aus dem Augenwinkel, wie Robert ausholte. Seine Hand war zur Faust geballt.
    Jane!
    Hans spürte noch bewusst die rasend schnell in ihm aufsteigende Hitze und nahm noch wahr, dass ein Schatten vor Rob vorbeiflog und den Jungen mit sich riss. Sein weiteres

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