Der Trakt
Pizzeria ganz in der Nähe gegangen und hatte sich im Freien an einen kleinen Tisch gesetzt, der unter einem roten Sonnenschirm mit dem Werbeaufdruck einer Getränkefirma stand.
Als er fast fertig gegessen hatte, war der Anruf gekommen und der Doktor hatte ihm seine neuen Befehle telefonisch durchgegeben.
Nun wartete Hans ein Stück von dem Versicherungsbüro entfernt auf Jane, die zweifellos bald auftauchen würde.
Keine fünf Minuten später kam sie. Zusammen mit ihrem Begleiter ging sie zielstrebig auf das Haus zu, in dessen Erdgeschoss sich das Büro befand. Sie blieben vor der Tür stehen und unterhielten sich kurz, dann wandte sie sich der Eingangstür zu, während er die Straßenseite wechselte und sich schräg gegenüber postierte.
Als Jane in dem Büro verschwunden war, suchte Hans die Umgebung ab. Man durfte die Umgebung seines Standortes niemals unbeobachtet lassen, egal, wie sicher man sich auch fühlte.
Etwa 100 Meter von sich entfernt bemerkte er eine Frau, die intensiv das Schaufenster eines Fahrradgeschäftes betrachtete. Es war einer der seltenen Momente, in denen Hans’ Mund sich zu einem Lächeln verzog.
Dort vor dem Fahrradladen stand Rosemarie Wengler.
26
Die Eingangstür war verschlossen, Braunsfeld war also tatsächlich unterwegs.
Ohne Zögern steckte Sibylle den Schlüssel ins Schloss, öffnete die Tür und betrat das Büro. Christian hatte es vorgezogen, sich wieder auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu postieren, um sie warnen zu können, falls ihr Chef plötzlich doch wieder auftauchen würde.
An ihrem Schreibtisch setzte sie sich auf den komfortablen Drehstuhl. Bevor sie mit ihrer Suche nach etwas begann, von dem sie nicht wusste, was es sein sollte, lehnte sie sich einen Moment zurück und betrachtete die Dinge, die sie so gut kannte, die sie jahrelang täglich gesehen hatte. Das riesige, abstrakte Gemälde an der Wand gegenüber. Braunsfelds Frau hatte es ihm zur Eröffnung des neuen Büros geschenkt. Es hieß
Sonnenuntergang im Märchenwald
und war wohl sehr teuer gewesen, wie Braunsfeld schon mehrfach erwähnt hatte.
Einfach nur ein unerträgliches, psychedelisches Intermezzo aus grellen Farben.
Sie hatte lange Zeit gebraucht, sich an den Anblick zu gewöhnen.
Oder der Aktenschrank, der die Wand auf der anderen Seite fast in ihrer gesamten Breite einnahm. Die Schiebetüren bestanden aus schmalen, senkrecht angebrachten Lamellen, die silbrig schimmerten und im Inneren des Schrankes verschwanden, wenn man sie aufschob. Wie viele tausend Male hatte sie diese Türen wohl geöffnet und wieder geschlossen, Ordner herausgenommen und wieder hineingestellt. Früher.
Sie riss sich von dem Anblick los und konzentrierte sich auf ihren Schreibtisch.
Als Erstes sah sie die Post durch, die sich in den vergangenen zwei Monaten angesammelt hatte. Nachdem sie alles zur Seite gelegt hatte, wovon sie sicher wusste, dass es uninteressant war, blieben nur noch zwei Briefe übrig, die sich aber beide ebenfalls nur als Werbesendungen herausstellten, einer von einem Mobilfunkanbieter, der andere von einer Firma, die ihr als
›ausgesuchter Kundin‹
ein ganz außerordentlich günstiges Angebot für die Erstausgabe einer Reihe Silbermünzen machte. Mit nummeriertem Zertifikat.
Sie beugte sich ein Stück zur Seite und zog die mittlere der drei Schubladen auf. Unter einem Stapel A4-Briefumschläge war der Platz ihres in schwarzes Leder eingebundenen Terminplaners. Dort legte sie ihn immer ab, wenn sie im Büro war, und oft ließ sie ihn auch dort liegen, wenn sie nach Hause ging. Familiäre Termine trug sie genau wie auch Hannes zu Hause auf dem großen Wandkalender ein, der in der Küche hing.
Sibylle hob die braunen Umschläge an und stockte. Der Planer lag nicht an seinem Platz. Sie warf die Umschläge achtlos auf den Schreibtisch und ließ sich gegen die Rückenlehne fallen.
Hab ich den mitgenommen, als ich mit Elke zum Essen verabredet war? Nein, ganz sicher nicht.
Sie zog die anderen Schreibtischschubladen auf. In der obersten lagen einige noch verpackte Blöcke selbstklebende Notizzettel, eine Packung Kugelschreiber, einige Rollen Klebeband und sonstiges neues Büromaterial. Die unterste Schublade war leer, bis auf … ihren Terminplaner. Erleichtert atmete sie auf, fragte sich aber, wie ihr Terminplaner in die unterste Schublade kam. Noch nie hatte sie ihn dort abgelegt. Diese Schublade diente ihr dazu, ihre geliebten Streuselteilchen zu parken, die sie jeden Morgen für
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