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Der Trakt

Der Trakt

Titel: Der Trakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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erwidern konnte, war Sibylle schon an ihm vorbei und hatte das Büro verlassen. Draußen sah sie sich schnell nach beiden Seiten um, ohne jedoch Christian Rössler zu entdecken.
Wo ist er, verdammt, und vor allem, wovor versteckt er sich eigentlich?
    Sie wandte sich nach rechts und ging mit schnellen Schritten los, ohne zu wissen, wohin. Erst jetzt, wo sie zum ersten Mal seit ihrer Flucht tatsächlich allein war, merkte sie, wie gut es ihr doch getan hatte, als Christian in ihrer Nähe gewesen war.
    Sie blieb stehen.
Was mache ich überhaupt? Was, wenn er mich nicht gesehen hat und jetzt in der entgegengesetzten Richtung irgendwo auf mich wartet?
Sie drehte sich um und stieß einen Schrei aus. Christian Rössler stand nur einen Meter hinter ihr und sah sie ernst an.
    Als sie den ersten Schreck überwunden hatte, fuhr sie ihn an: »Mein Gott, musst du mich so erschrecken? Wo warst du überhaupt? Warum versteckst du dich? Was wäre gewesen, wenn ich dich da drinnen gebraucht hätte?«
    »Ich wäre da gewesen«, antwortete er. »Ich war die ganze Zeit in deiner Nähe.«
    »Aber warum hast du dich versteckt?«
    »Das habe ich nicht. Als dieser dicke Mann rauskam, stand ich gerade auf der anderen Straßenseite. Und kurz danach kamst du zurück und bist gleich losgerannt. Ich wollte nicht quer über die Straße nach dir rufen, weil ich denke, wir können im Moment keine öffentliche Aufmerksamkeit brauchen.« Damit verzog er den Mund zu einem Lächeln, und obwohl sie wirklich wenig Grund dazu hatte, lächelte Sibylle zurück.
    »Erzählst du mir, wie es war, während wir weitergehen?«
    Nachdem sie ein paar Meter nebeneinander hergegangen waren, sagte sie so ruhig wie möglich: »Mein Chef hat mich nicht erkannt.«
    »Und? Wie hat er reagiert, als du ihm gesagt hast, wer du bist?«
    »Ich hab’s ihm nicht gesagt.«
    Er blieb stehen und hielt sie am Arm fest. »Und warum nicht? Ich dachte, deswegen sind wir hier?«
    »Es hätte keinen Zweck gehabt.«
    Sie machte sich los, ging weiter und wartete, bis er wieder neben ihr war. »Ich hab ihm angesehen, dass es nichts an mir gab, das ihm bekannt vorkam. Aber – ich habe mir den Ersatzschlüssel für die Eingangstür besorgt!«
    »Was?«
    »Ja, aus meinem Schreibtisch.«
    »Und was willst du damit?«
    »Wie spät ist es jetzt?«
    Er hob sichtlich irritiert den Arm. »Gleich zwei.«
    Sie nickte. »In einer halben Stunde wird Braunsfeld wahrscheinlich das Büro verlassen. Er legt sich seine Kundentermine immer auf den Nachmittag ab halb drei. Dann werden wir zurückgehen. Ich muss in Ruhe meinen Schreibtisch durchsuchen.«
    »Was versprichst du dir davon?«
    »Weiß ich noch nicht. Aber ich bewahre da viele persönliche Dinge auf, unter anderem meinen Terminplaner. Vielleicht entdecke ich was, woran ich noch nicht gedacht habe.«
    Er blieb eine Weile stumm, schien darüber nachzudenken. Dann sagte er: »Ich halte das für keine gute Idee. Warum möchtest du ein unnötiges Risiko eingehen, Sibylle? Was sollte in dem Terminplaner stehen, was du nicht sowieso schon weißt?«
    »Ich habe keine Ahnung, aber schaden kann es auf keinen Fall. Außerdem lag da noch ein großer Stapel Post für mich. Vielleicht ist da irgendwas dabei, das uns weiterbringt. Und ein Risiko ist es auch nicht, schließlich habe ich einen Schlüssel.« Dieses Mal blieb sie stehen und sah ihn an. »Was ist denn los mit dir, Christian? Ich dachte, es liegt auch in deinem Interesse, dass wir etwas rausfinden.«
    »Ja, schon. Aber nachdem meine Schwester wieder verschwunden ist, da … Ich hab einfach Angst, du könntest auch plötzlich wieder verschwinden. Aber du hast natürlich recht. Wir müssen jede Möglichkeit nützen.«
    Etwas Warmes zog durch ihren Körper, kein Schauer, eher ein Hauch. Kaum stark genug, dass sie ihn neben dem gigantischen, schwarzen Monster der Verzweiflung, das in ihr wütete, wirklich spüren konnte, und doch war er da. Es war die Ahnung eines kurzen Glücksgefühls.
Christian macht sich Sorgen um mich.
Sie ging einen Schritt auf ihn zu und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Und ganz anders als die Berührung seiner Hand nur Minuten zuvor fühlte sich das überhaupt nicht unangenehm an.
    Sie liefen durch die Straßen von Prüfening, um die Zeit zu überbrücken, und sie erzählte ihm Dinge aus ihrem Leben. Nichts Weltbewegendes, denn weltbewegende Ereignisse hatte es in ihrem Leben noch keine gegeben, es waren kleine Geschichten von ihrer Hochzeit und von einem Urlaub in

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