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Der Trakt

Der Trakt

Titel: Der Trakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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große, modern eingerichtete Behandlungszimmer vor sich und das kompliziert aussehende Ultraschallgerät, das neben der Liege an der Wand stand. Den Arzt mit dem blonden Haarkranz und der randlosen Brille, wie er sie ansah und ihr diese einfache, kurze Frage stellte. »Haben Sie Kinder?«
    »Nein.« Das war ihre Antwort.
    Nein.
    Ich habe tatsächlich nein gesagt.
    So einfach ist das.
    Ein Wort nur, und doch eine ganze Welt.
    Eine ihrer Tränen landete mit einem patschenden Geräusch auf dem Papier ihres Terminplaners. Es kam ihr übermäßig laut vor. Sie betrachtete die Stelle und sah dabei zu, wie innerhalb weniger Sekunden ein kreisrunder, dunkler werdender Fleck auf dem Papier entstand, das sich dann ein wenig wellte.
    Sie las den Eintrag wieder und wieder, betrachtete jeden einzelnen Buchstaben. Dieses große D in ›Dr.‹ mit seinem extrem geschwungenen Bauch, und in ›Kuss‹ das K mit dem weit herübergezogenen oberen Schrägstrich.
    Ohne länger darüber nachzudenken schlug sie das hintere Register ihres Terminplaners auf, wo sie wichtige Adressen und Telefonnummern aufgeschrieben hatte.
    Eine halbe Minute später wartete sie mit klopfendem Herzen darauf, dass abgehoben wurde. Sie ließ es mindestens zehnmal klingeln und wollte gerade auflegen, als doch noch abgehoben wurde und sich eine junge Frauenstimme meldete. »Praxis Dr. Olaf Kuss, Katrin Hengsberger, was kann ich für Sie tun?«
    »Hallo? Guten Tag, mein Name ist Sibylle Aurich. Könnte ich bitte mit Herrn Dr. Kuss sprechen?«
    »Das geht im Moment leider nicht, der Chef ist beschäftigt. Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht …«
Was genau will ich eigentlich wissen?
»Könnte ich vielleicht vorbeikommen? Es ist wirklich sehr dringend.«
    »Heute? Das geht leider nicht. Wir nehmen nachmittags nur Patienten mit Termin an.«
    »Bitte«, sagte Sibylle und versuchte, ihre ganze Verzweiflung in ihre Stimme zu legen, aber Katrin Hengsberger schien für verzweifelte Patienten keine Antenne zu haben.
    »Tut mir leid. Ich kann Ihnen einen Termin für nächste Woche Donnerstag anbieten, um 16 Uhr.«
    »Nein, danke, ich … Ist nicht nötig.«
    Sie legte auf und spürte, wie erneut das Gefühl des Verlorenseins in ihr hochsteigen wollte. Aber das würde sie nicht mehr zulassen.
    Sie ergriff ihren Terminplaner, erhob sich und hielt mit einem Blick auf ihren Schreibtisch inne.
Soll ich alles wieder so herrichten, wie es vorhin war?
    Aber warum?
     
    Als sie die Tür zugeschlossen hatte, verließ Christian seinen Platz auf der gegenüberliegenden Straßenseite, wo er gegen den Pfosten eines Straßenschildes gelehnt gestanden hatte, und kam auf sie zu.
    »Na, hast du was Interessantes gefunden?«
    Sibylle hielt den Terminplaner hoch. »Nein, nicht viel. Ich war einige Male bei einem Neurologen, wegen starker Kopfschmerzen. Das hatte ich ganz vergessen. Der letzte Termin war etwa zwei Wochen, bevor ich überfallen worden bin.«
    Christian zog die Augenbrauen hoch. »Ich sehe da keinen Zusammenhang. Bei welchem Arzt war das?«
    »Dr. Kuss, Olaf Kuss. Er hat seine Praxis in der Nähe des Donau-Einkaufszentrums.«
    »Hm. Und was hast du nun vor?«
    »Ich überlege, ob ich mich mit diesem Arzt unterhalten soll. Es hat wahrscheinlich nichts mit dem Ganzen zu tun, aber … Was denkst du?«
    Er schien angestrengt zu überlegen.
    »Sag mal, wie war das mit deiner Schwester? Kann es nicht vielleicht sein, dass sie auch … –«
    »Bei diesem Arzt war? Nein, das wüsste ich.«
    Sibylle nickte. »Ich dachte nur, das könnte vielleicht eine Gemeinsamkeit sein. Aber unterhalten möchte ich mich trotzdem mit ihm.«
    Entschlossen ging sie los, in der Hoffnung, das gleiche Glück wie zuvor zu haben und schnell ein Taxi zu finden. Christian war nach ein paar Schritten neben ihr.
    »Sibylle, mal ehrlich, das ist doch Zeitverschwendung. Was, glaubst du, kann dieser Arzt dir sagen, was dir weiterhelfen könnte?«
    »Uns«, korrigierte sie ihn. »Vielleicht kann er uns weiterhelfen. Oder interessiert es dich nicht mehr, was mit deiner Schwester passiert ist?«
    »Natürlich interessiert es mich noch.« Sofort klang seine Stimme wieder weicher. »Aber genau deshalb halte ich es für nicht sinnvoll, zu einem Arzt zu gehen, der dich vor Wochen wegen Kopfschmerzen behandelt hat. Ich befürchte, dass jede Stunde zählt, wenn ich Isabelle finden möchte, bevor die …« Er verstummte.
    »Bevor die ihr das Gleiche angetan haben wie mir, wolltest du

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