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Der Trakt

Der Trakt

Titel: Der Trakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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gleichmäßig.
    »Christian?«, sagte sie leise.
    Er hatte die Augen geschlossen und reagierte nicht, sie wiederholte seinen Namen, dieses Mal aber ein wenig lauter.
    Keine Reaktion. Er schien tatsächlich eingeschlafen zu sein.
    Sie betrachtete ihn, ließ ihren Blick über sein Gesicht gleiten. Über die Wangen zog sich mittlerweile eine Fläche feiner Bartstoppeln, die dunklen, an den Seiten bis fast über die Ohren reichenden Haare waren im Nacken sanft gewellt und lugten links und rechts hinter seinem Hals hervor. Das Hemd stand weit offen, unter dem engen Shirt zeichnete sich seine gut ausgebildete Brustmuskulatur über einem flachen Bauch ab, aus der Brusttasche lugte die Stummelantenne seines Mobiltelefons heraus.
    Sibylles Körper spannte sich.
Sein Handy.
    Christian schien zu schlafen. Sie bräuchte nur das Telefon aus der Tasche zu ziehen, die Wahlwiederholung zu drücken und wüsste, wer der Bekannte war, mit dem er vom Bahnhof aus telefoniert hatte. Oder die Liste der zuletzt eingegangenen Anrufe.
Aber wenn er was merkt?
Er würde wahrscheinlich ziemlich böse werden. Wahrscheinlich würde er ihr vorhalten, dass sie ihm nicht vertraute.
    Vertraue ich ihm denn?
    Sie beugte sich nach vorne und streckte die Hand aus, ganz langsam, immer weiter, bis ihre Fingerspitzen nur noch wenige Zentimeter von seinem Hemd entfernt waren.
    Sie zögerte.
Was mach ich da? Immerhin will er mir helfen.
    Mit spitzen Fingern packte sie die kleine, gummiüberzogene Antenne und zog vorsichtig nach oben. Während das Telefon Zentimeter für Zentimeter aus der Hemdtasche herausschlüpfte, beobachtete sie sein Gesicht. Fast hatte sie es geschafft, als Christian leise aufstöhnte und sich ein wenig zur Seite drehte. Dabei berührte sie mit dem kleinen Finger seine Brust.
    Sibylle hielt den Atem an, verharrte in der Position und wagte es nicht, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Sekundenlang saß sie verkrampft und bewegungslos da, dann atmete sie erleichtert vorsichtig aus. Er hatte nichts bemerkt und schlief weiter.
    Sie hatte Glück: Christians Telefon war ein Klapphandy, ohne Tastensperre.
    Auf dem kleinen Farbdisplay leuchtete ihr ein schwarzer Porsche entgegen, in dem jemand saß. Man konnte ihn nicht deutlich sehen, aber sie glaubte, Christian zu erkennen.
    Hm, so ein Luxusschlitten passt gar nicht zu ihm.
    Sie drückte die Taste, auf der ein grüner Hörer abgebildet war, und im Display erschien eine Nummer, die ebenfalls zu einem Mobilanschluss zu gehören schien. Nach einem letzten, schnellen Blick zu Christian herüber drückte sie nochmals dieselbe Taste und hielt sich das Telefon dann ans Ohr.
    Es fühlte sich an, als wolle ihr das Herz aus dem Hals springen, während sie dem Klingelzeichen zuhörte. Nach dem vierten Mal wurde abgehoben.
    »Martin Wittschorek.«
    Hastig nahm Sibylle das Telefon vom Ohr und beendete mit der roten Taste das Gespräch.
    Das wilde Schlagen ihres Herzens wurde zum schmerzhaften Hämmern, schien aber schon im nächsten Augenblick gänzlich aufzuhören, als Christian fragte: »Und? Hast du rausgefunden, was du wissen wolltest?«

28
    Schon kurz nachdem Jane wieder aus dem Büro herausgekommen war, benahm sie sich sehr merkwürdig.
    Wenn Jane sich merkwürdig benahm, bedeutete das für Hans, dass es vielleicht nicht mehr lange dauern würde, bis sein Handeln gefragt war. Bald würde er eingreifen und damit eine geradezu unendliche Anzahl darauf folgender Ereignisse grundlegend verändern.
    Er hatte etwas Großes, etwas Schöpferisches, dieser Prozess. Und doch erzeugte der Gedanke daran ein seltenes Durcheinander in seinem Kopf. Was war nur mit ihm los? Wie konnte es sein, dass er plötzlich Dinge in Frage stellte, die nicht in Frage zu stellen waren?
    Nachdem ihr Begleiter seinen Posten verlassen hatte und zu ihr herübergegangen war, unterhielten sie sich erst eine Weile, dann gingen sie los, um nach nur wenigen Metern vor einem bunten Plakat wieder stehen zu bleiben, das offensichtlich Janes Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie starrte es wie unter Schock stehend an, während er auf sie einredete.
    Als sie ihren Blick endlich von dem bunten Wirrwarr losriss, von dem Hans auf die Entfernung keine Details erkennen konnte, und sich dabei so sehr schwankend an ihrem Begleiter festhielt, dass Hans dachte, sie würde gleich umfallen, setzte er sich in Bewegung. Er musste wissen, was sie so aus der Fassung gebracht hatte. Nach ein paar Schritten schon konnte er die ersten Worte lesen, die in

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