Der Traum & Das Spiel der MacKenzies (German Edition)
Entsetzen kaum kontrollieren können. Ihre erste Sorge galt allein dem Hengst. Um diese Zeit waren alle Stallhelfer entweder beim Essen oder schon nach Hause gegangen. Sie durfte jetzt nicht eine Minute verlieren.
Sie erinnerte sich, wie sie zum Stall und zu Pleasures Box gerannt war. Sie musste Randy Yu wohl dort überrascht haben, auch wenn sie keine Erinnerung daran hatte, wo genau sieauf ihn gestoßen war. Dennoch, für eine Zeugenaussage reichte es, falls ihre Aussage überhaupt nötig war. Die Videoaufnahme zeigte die Beteiligten gestochen scharf, die Beweise waren absolut wasserdicht.
Ein Fahrzeug kam herangerumpelt, und ein korpulenter Mann Ende fünfzig mit einem militärisch kurzen Haarschnitt stieg aus dem verbeulten Truck. Endlich, der Tierarzt, dachte Maris erleichtert. Unter den Augen des Mannes lagen dunkle Ringe, wahrscheinlich hatte er die Nacht bei einem kranken Tier zugebracht anstatt im Bett.
Müde oder nicht, er kannte sich mit Pferden aus. Er blieb stehen und betrachtete mit gerunzelter Stirn seinen Patienten, die kräftige Statur, die Blesse auf der Stirn, den weißen Lauf, von dem jetzt das Blut rann. „Das ist Sole Pleasure“, meinte er erstaunt.
„Richtig, und er ist angeschossen worden“, presste Maris hervor. Ihr Schädel wollte zerspringen, sogar ihre Augen schmerzten. Wenn Pleasure nicht bald ruhig wurde … „Innere Organe sind nicht getroffen, aber ein Brustmuskel ist gerissen. Er will nicht stillhalten, deshalb hört die Blutung auch nicht auf.“
„Das haben wir gleich. Ich bin übrigens George Norton, der hiesige Veterinär.“ Noch während er sich vorstellte, öffnete er seinen Arztkoffer, kramte darin und zog eine Injektionsspritze auf. Geschickt setzte er die Nadel in eine Ader, die an Pleasures Hals hervortrat. Der Hengst tänzelte nervös. Maris biss sich auf die Lippe, sie litt mit dem Tier.
„In einer Minute wird er ruhig sein.“ Der Tierarzt musterte Maris mit strengem Blick, während er den blutgetränkten Druckverband von Pleasures Brust abzog. „Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, aber Sie sehen schlimmer aus als das Pferd. Stimmt was nicht mit Ihnen?“
„Gehirnerschütterung.“
„Um Himmels willen, dann lassen Sie sich nicht so vonihm herumstoßen. Setzen Sie sich irgendwo hin, bevor Sie umfallen.“
Selbst in dem Trubel, der in dem kleinen Waldstück herrschte, und durch die lauten Wortwechsel der Sanitäter, die Joan Stonicher zum Transport in die Klinik fertig machten, hatte MacNeil die Worte des Tierarztes gehört. Kurz darauf war er auch schon bei Maris, stand groß und beeindruckend hinter ihr und griff über ihre Schulter nach Pleasures Trense. „Ich halte ihn.“ Die Worte klangen scharf und hart wie Peitschehiebe. „Du setzt dich.“
„Ich …“ Sie hatte sagen wollen: „Ich denke, das werde ich wohl besser tun“, aber Maris kam gar nicht dazu, den Satz auszusprechen. MacNeil war schon davon ausgegangen, dass sie protestieren wollte.
„Setz dich!“, brüllte er.
„Ich hatte gar nicht vor, zu widersprechen“, fauchte sie zurück. Hielt er sie für einen Hund?! Sitz?! Dabei würde sie sich noch viel lieber hinlegen.
Genau das würde sie auch tun. Pleasure würde wieder in Ordnung kommen. Wenn die Beruhigungsspritze erst ihre Wirkung tat, konnte der Tierarzt die Blutung stoppen. Wahrscheinlich musste der durchtrennte Muskel genäht werden, Pleasure würde Antibiotika verabreicht bekommen und eine Zeit lang einen festen Verband tragen müssen, aber die Verletzung würde heilen. Auch wenn Truck und Anhänger praktisch gestohlen waren, gab es sicher keine Probleme, wenn sie beides dazu benutzten, Pleasure zurück nach Solomon Green zu transportieren. Solange der Tierarzt den Hengst noch behandelte und bis man ihn in den Anhänger geladen hatte, wollte Maris sich in der Fahrerkabine auf dem Sitz ausstrecken.
Mit letzter Kraft kletterte sie auf den Sitz. Der Schlüssel steckte noch, so ließ sie den Motor an und schaltete die Standheizung ein. Sie zog ihre Jacke aus, streifte die schwere Schutzwesteab, legte sich auf den Sitz und deckte sich mit der Daunenjacke zu.
Vor Erleichterung kamen ihr fast die Tränen. Sobald sie ruhig in der Waagerechten lag, ließ der Schmerz nach. Maris schloss die Augen und ließ den Druck von sich abfallen, zusammen mit der Angst und der Rage. Sie wäre in der Lage gewesen, Joan zu erschießen. Hätte die andere Frau MacNeil etwas angetan, dann hätte sie den Abzug gedrückt. In diesem merkwürdigen
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