Der Traum & Das Spiel der MacKenzies (German Edition)
Vakuum aus Angst und Wut hatte sie auf Joans Kopf gezielt.
Pleasure hatte in dem schrecklichen Moment, als Joan die Waffe auf MacNeil richtete, nicht ein einziger ihrer Gedanken gegolten. Maris war froh, dass sie nicht hatte schießen müssen, aber sie wusste auch, dass sie es getan hätte. Sich selbst und den starken Beschützerinstinkt für alle, die sie liebte, zu kennen, war eine Sache. Zu erfahren, wie weit sie diese Gefühle gehen lassen würden, etwas ganz anderes. Die Selbsterkenntnis ließ sie erschauern.
MacNeil war schon einmal an diesen Punkt gelangt, man konnte es in seinen Augen erkennen. Maris hatte es auch im Blick ihres Vaters gesehen und bei ihren Brüdern – die Bereitschaft, alles zu tun, was nötig war, um die zu schützen, die man liebte und die schwächer waren. Es war alles andere als leicht, es zerriss einen innerlich. Und die, die an vorderster Front standen und bereit waren, das zu tun, zahlten einen hohen Preis. Maris begann, die Zusammenhänge zu verstehen, auch wenn sie diesen letzten, unumkehrbaren Schritt nicht hatte tun müssen. Dennoch – ihr war klar, wie knapp sie dem Impuls entgangen war.
Ihre Mutter besaß diese Fähigkeit ebenfalls, auch einige ihrer Schwägerinnen. Die tapfere Mary, die unbeirrbare Caroline, die warmherzige Barrie. Jede von ihnen hatte auf die eine oder andere Weise dem Tod ins Gesicht geschaut. Sie würdenverstehen, was Maris jetzt empfand. Nun, Caroline vielleicht nicht. Die Frau war so geradeheraus und konnte sich so stark auf eine Sache konzentrieren, dass Joe sie einmal mit einer Zielrakete auf Kurs verglichen hatte.
Die Tür, an der Maris mit dem Kopf lag, wurde aufgerissen, kalte Luft strömte ins Wageninnere.
„Maris! Wach auf!“ MacNeils laute Stimme war direkt über ihrem Gesicht, eine Hand hatte er an ihre Schulter gelegt, um sie wachzurütteln.
„Ich bin wach.“ Sie hielt die Augen dennoch geschlossen. „Die Kopfschmerzen sind nicht mehr so schlimm, seit ich mich hingelegt habe. Wie lange dauert es noch, bis ich Pleasure zurückbringen kann?“
„ Du bringst Pleasure nirgendwo hin. Das Einzige, was du tust, ist, dich in eine Klinik zu begeben und dich untersuchen zu lassen.“
„Wir können ihn doch nicht einfach hier stehen lassen.“
„Ich habe bereits arrangiert, dass er zurückgebracht wird.“
Maris hörte die Anstrengung heraus, mit der er seine Stimme ruhig hielt. „Ist hier alles erledigt?“
„Immerhin so weit, dass Dean allein hier bleiben und ich dich ins Krankenhaus fahren kann.“
Bis ein Arzt ihm versicherte, dass mit ihr alles mehr oder weniger in Ordnung war, würde er nicht lockerlassen, dessen war sich Maris sicher. Sie öffnete die Augen und setzte sich seufzend auf. Sie verstand ihn. Wäre er der Betroffene, würde sie auch nicht nachgeben.
„Na schön.“ Sie zog sich die Jacke über, stellte den Motor ab und hob die Schutzweste auf. „Ich bin so weit.“ Ihre Nachgiebigkeit jagte ihm einen gehörigen Schrecken ein, Maris sah, wie seine Augen dunkler wurden und seine Wangenmuskeln sich anspannten. „Mit mir stimmt alles“, sagte sie leise und legte ihre Hand auf seine. „Ich gehe mit, weil du dir Sorgen machst.Und ich will nicht, dass du dich um mich sorgst.“
Seine Miene änderte sich schlagartig, der Ausdruck von unendlicher Zärtlichkeit spiegelte sich auf seinem Gesicht. Vorsichtig schob er die Arme unter sie und hob Maris aus dem Truck.
Dean hatte den Oldsmobile aus dem Versteck herausgefahren. MacNeil trug Maris hinüber und setzte sie so vorsichtig auf den Beifahrersitz, als sei sie aus kostbarstem Porzellan. Als er hinter das Steuer glitt und anfuhr, teilte sich die versammelte Menschenmenge, um ihn durchzulassen. Maris sah noch einmal zu Pleasure, der jetzt ruhig dastand, mit einem Verband über seiner Brust. Der furchtvolle Ausdruck in den Augen des Pferdes war verschwunden, und Pleasure betrachtete das Geschehen um sich herum mit der für ihn typischen gelassenen Neugier.
Dean hob die Hand und winkte ihnen zu, als sie an ihm vorbeifuhren.
„Was wird mit ihm?“, fragte Maris.
„Er findet eine Mitfahrgelegenheit. Das ist kein Problem.“
Maris zögerte. „Und was ist mit dir? Wann reist du ab? Deine Arbeit hier ist doch erledigt, oder?“
„Ja, der Job ist erledigt.“ Die Antwort klang kurz angebunden, und der Blick, mit dem er sie bedachte, verhieß nichts Gutes. „Ich muss noch den Papierkram erledigen und einen Bericht schreiben. Möglich, dass ich heute Abend schon
Weitere Kostenlose Bücher