Der Traum & Das Spiel der MacKenzies (German Edition)
auf sie einstürmten. Es war nicht nur der Sex, der intensiver und hitziger gewesen war als alles, was sie erwartet hatte. Nein, es war der Teil seines Charakters, den er enthüllt hatte. Jener Teil, den er so unbedingt versteckt halten wollte und der sie so anzog. Jetzt, hier, in diesem Moment, wusste sie, dass ihre Liebe zu ihm erst mit ihrem Tod enden würde. Chance war ein ganz besonderer Mann. Ein Krieger, ein Mann, der immer etwas Ungebändigtes und Wildes in sich tragen würde, der bereit war, sich der Gefahr zu stellen und Risiken einzugehen, um die Menschen zu schützen, die er liebte. Er war das genaue Gegenteil ihres Vaters, der sein gesamtes Leben der Zerstörung geweiht hatte.
Sunny hatte keine Wahl im Leben gehabt. Ihre Mutter hatte sie und Margreta weggegeben, um sie zu schützen, aber Pamela Vickery Hauer hatte ihre Mädchen nie ganz aufgeben können. Stattdessen hatte sie ihnen beigebracht, wie man untertauchte und, falls nötig, kämpfte. Pamela war zur Expertin in ihrer eigenen Guerilla-Kriegsführung geworden. Wann immer sie glaubte, dass es sicher sei, besuchte sie die Mädchen, und die verständnisvollen Millers zogen sich diskret zurück, um der Mutter Zeit mit ihren Kindern zu geben.
Das Glück verließ Pamela, als Sunny sechzehn war. Das Netzwerk des Vaters reichte weit, ihm standen mehr Informationsquellen zur Verfügung, als seine Frau einkalkulieren konnte. Deshalb war es nur eine Frage der Zeit, bis er sie ausfindig machte. Und zu Fall brachte. Doch Pamela entschloss sich für den Freitod, bevor sie das Risiko einging, den Aufenthaltsort ihrer Töchter unter Folter oder Drogeneinfluss zu verraten.
Das war Sunnys Erbe, ein Leben in den Schatten und eine mutige Mutter, die sich selbst umgebracht hatte, um ihre Kinder zu schützen. Niemand hatte Sunny gefragt, ob sie diese Art Leben wollte. Es war ihres, sie hatte kein anderes, also musste sie das Beste daraus machen.
Genauso wenig hatte sie sich entschieden, von der Schwester getrennt zu leben. Das hatte Margreta beschlossen. Margreta war älter, kämpfte schon immer mit eigenen Dämonen und hatte die von der Mutter gelehrten Überlebenstechniken nie so verinnerlicht wie Sunny. Also hatte Sunny auch ihre Schwester verloren. Und als die Millers starben, erst Hal, dann Eleanor, war Sunny endgültig allein. Margretas Anrufe waren der einzige Kontakt.
Nun auch Chance aufzugeben, dazu hatte sie nicht die Kraft. Und genau das ängstigte Sunny zu Tode, denn durch ihre Anwesenheit brachte sie ihn in Lebensgefahr. Sie konntesich nur mit dem Wissen beruhigen, dass er als der Mann, der er war, in der Lage sein würde, auf sich aufzupassen.
Sie atmete tief durch. Sich schon im Voraus Probleme auszumalen brachte nichts. Wenn – falls sie aus diesem Canyon herauskamen, dann würde sie die notwendigen Entscheidungen treffen.
Da sie nicht stillsitzen konnte, ging sie zu den ausgebreiteten Wäschestücken und sammelte die trockenen Sachen von den verschiedenen Felsen ein. Obwohl sie nur wenige Minuten gebraucht hatte, war es dunkel, als Sunny zu dem Überhang zurückkehrte.
Chance hatte die Taschenlampe nicht mitgenommen. Der Mond schien nicht. Wenn Chance nicht in den nächsten Minuten zurückkam, würde er nichts mehr sehen können.
Das Feuer war den ganzen Tag immer wieder angefacht worden, um mit möglichst wenig von dem kostbaren Holzvorrat so viel Rauch wie möglich zu machen. Jetzt jedoch legte Sunny einige Äste auf, um die Flammen auflodern zu lassen. Sie hatte einfach das Bedürfnis nach Licht, und der rote Schein würde Chance als Orientierungshilfe dienen. Die Flammen warfen flackernde Schatten auf die Felswände. Sunny suchte nach der Taschenlampe. Sie wollte sie bereithaben, falls sie Chance suchen musste.
Innerhalb von wenigen Augenblicken wurde es tiefste Nacht, so als hätte Mutter Natur einen Vorhang fallen lassen. Sunny trat unter dem Überhang hervor.
„Chance!“ Sie blieb stehen und lauschte.
Nur die Nachtgeräusche drangen an ihr Ohr – Rascheln, Scharren, die leisen Laute der Nachttiere, der leichte Wind, der um die Felsen strich.
„Chance!“, rief sie noch einmal, diesmal lauter. Wieder keine Antwort. „Mist!“, murmelte sie, nahm die Taschenlampe und machte sich auf den Weg zum anderen Ende des Canyons, wodas Leben spendende Wasser aus dem Felsen rann.
Vorsichtig setzte Sunny einen Fuß vor den anderen. Noch eine Begegnung mit einer Schlange würde sie nicht mehr aushalten. Immer wieder rief sie nach Chance.
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