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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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krempelte die Ärmel hoch. Als Clara ihre schmutzigen und rissigen Fingernägel und Hände sah, zuckte sie zurück und presste unwillkürlich die Beine zusammen.
    »Rühr mich nicht an!«, schrie sie in äußerster Panik.
    »Nun, das lässt sich nicht verhindern, Herrin. Ihr wollt doch das Balg nicht ewig im Leib behalten?«, erwiderte die schmutzstarrende Fremde unbeeindruckt und zog die Decke von Claras Leib. »Ich hol es Euch ganz schnell heraus, Ihr werdet mir noch dankbar dafür sein.«
    »Rühr mich nicht an!«, kreischte Clara und zog die Beine an, so gut es irgend ging. »Und was hast du da in dem Korb? Kuhfladen?«
    »Natürlich, sogar noch warm. Das zieht die Gifte aus dem Leib. Ein altbewährtes Mittel. Also ziert Euch nicht so. Ich denke, es ist nicht Euer Erstes?«
    »Paul! Lukas!«, schrie Clara in ihrer Verzweiflung.
    Ihr ältester Stiefbruder, der draußen gewartet zu haben schien, steckte den Kopf zur Tür herein.
    »Lass nicht zu, dass diese Frau mich anrührt! Schaff sie hinaus!«, flehte Clara.
    Paul zögerte keinen Augenblick. Nicht umsonst war er bei Raimund und jetzt auf der Wartburg im Kampf ausgebildet worden, und sein Leben als Bastard ließ ihn mehr als genug Erfahrung in handgreiflichen Auseinandersetzungen sammeln. Dieses dicke, alte Weib war keine Herausforderung für ihn. Er hatte schon auf dem Weg hierher Zweifel daran gehegt, ob sie wohl eine gute Wahl sei. Seine Mutter und auch seine Stiefschwester behaupteten immer wieder – zur Verwunderung der meisten Menschen –, dass man saubere Hände haben müsse, wenn man Wunden behandeln oder ein Kind auf die Welt holen wolle. Diese Frau hier starrte vor Dreck und unternahm auch keinerlei Anstalten, sich zu waschen.
    Er packte die Fremde am Arm und zog sie aus der Kammer.
    »Mein Korb!«, keifte die Wehmutter. »Und bezahlt mich wenigstens für den Weg! So etwas Undankbares!«
    Lisbeth huschte den beiden nach, um den Korb mit dem Kuhfladen loszuwerden.
    Draußen sah sie in einiger Entfernung eine Gruppe Hofdamen stehen und wispern, was ihren Verdacht bekräftigte: Sie hatten die erfahrene Wehmutter mit Absicht fortgeschickt und Clara diese Pfuscherin aufgedrängt.
    Paul kam zurück. »Was nun?«, fragte er Lisbeth hilflos. Die wartenden Hofdamen hatte er ebenfalls bemerkt und kam dabei zu der gleichen hässlichen Erkenntnis wie das Kindermädchen.
    »Kann der junge Lukas noch kommen? Ihr beide solltet vor der Tür wachen und uns bringen, was wir brauchen«, schlug Lisbeth vor, was mutiger klang, als sie sich fühlte. »Ich kann die Herrin jetzt nicht allein lassen. Und Hilfe haben wir wohl nicht zu erwarten.« Mit dem Kopf wies sie zu den Hofdamen.
    »Das übernehmen wir«, versprach Paul. »Wir lassen unsere Schwester nicht im Stich. Zuerst brauchst du Wasser, nicht wahr?«
    »Ja!«, stieß Guntrams Frau erleichtert aus. Auf heißes Wasser durften sie nach Lage der Dinge wohl nicht hoffen, aber Wasser überhaupt war schon eine Wohltat. Sauberes Leinen lag in der Truhe bereit. Und was es vielleicht für solch einen Fall an Tinkturen und Salben bedurfte, besaß Clara selbst.
    Sie blickte Lukas’ Erstgeborenem noch kurz nach, dann ging sie wieder in die Kammer.
    »Jetzt musst du mir helfen, das Kind auf die Welt zu bringen«, stöhnte Clara. »Ich sag dir, was zu tun ist.«
    Lisbeth nickte nur, tauchte die Hände in einen Eimer Wasser und rieb sie dann mit reinem Gänseschmalz ein.
    Wenn es doch nur überstanden wäre!, dachte Clara und ließ sich wieder auf das Laken sinken, während ihr Tränen aus den Augenwinkeln rannen.
    Mein erstes Kind musste ich auf der Flucht zur Welt bringen, nachts mitten im Wald auf eiskaltem Boden. Doch da war wenigstens Johanna bei mir, eine wirklich gute Wehmutter. Und jetzt … liege ich zwar in einem Bett, muss aber selbst die Anweisungen geben … weil diese Frauen Dietrich dieses Kind nicht gönnen, weil sie mich und mein Kind sterben sehen wollen …
    Dass das auch zu dem Preis gehört, den ich zu zahlen habe, hätte ich nie gedacht.

Atempause
    V om Verlauf der Kämpfe um Weißenfels und Albrechts Gegenburg und dem schnellen Sieg Hermanns und Dietrichs erfuhr Marthe kaum etwas. Die Verwundeten und ihre Begleiter brachten nur spärlich Nachricht.
    Irgendwann, als die Sonne schon sehr tief stand, kam Lukas, um Marthe zu holen.
    Jemand hatte Befehl gegeben, alle Verletzten auf die freigekämpfte Weißenfelser Burg hochzukarren oder zu schicken, damit sie dort weiter versorgt wurden. In der

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