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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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den Kampf ritt. Schlachtrufe erschollen, dann weitere Hornsignale, und die Reiterei preschte los, um die Belagerer zu verjagen, die sich in und um Weißenfels breitgemacht hatten.
    Im Schatten einer großen Linde bat Marthe die Heilige Jungfrau, dass heute niemand von denen sterben würde, die ihr am Herzen lagen, und um Beistand für Clara in ihrer schweren Stunde.
    Doch ihr blieb nicht viel Zeit für Gebete: Knappen und Knechte brachten schon Verletzte. Diejenigen, denen Gliedmaßen amputiert werden mussten, wurden gleich zum Feldscher getragen, der ein paar Schritte entfernt von ihr sein blutiges Handwerk verrichtete.
     
    Nach der Begegnung mit Jutta hatten sich Claras stechende Schmerzen wieder verzogen.
    Doch an diesem heißen Tag würden sie nicht mehr aufhören. Das Kind kam, dessen war sich Clara nun sicher.
    Sie hatten den halben Vormittag noch an einem Hemdchen genäht und Änne Geschichten erzählt, die sich an sie schmiegte, während ihr kleiner Bruder draußen unter Lisbeths Aufsicht herumtollte.
    Immer wieder rieb sich Clara mit den Händen über den Rücken, was der Vierjährigen nicht verborgen blieb.
    »Dein nächstes Brüderchen will heraus«, erklärte sie dem Mädchen und legte Ännes Hand über ihren Bauch, der ihr so prall vorkam, als würde die Haut jeden Moment aufreißen.
    »Darf ich zugucken, wie es herausläuft, und es begrüßen?«, fragte Änne neugierig.
    Trotz ihrer Schmerzen musste Clara lächeln. »Zuschauen – nein. Aber du darfst es streicheln, wenn es da ist.«
    Sie sah ihrer Tochter, die für ihr Alter sehr aufgeweckt und klug war, ernst in die Augen.
    »Gehst du und holst Lisbeth? Aber beeil dich …«
    Änne verstand, dass dies ein wichtiger Auftrag war, und rannte los, ohne die Tür hinter sich zu schließen.
    Clara war nicht mehr in der Lage, aufzustehen und das selbst zu tun – soeben rann ihr das Fruchtwasser an den Beinen herab, und im nächsten Augenblick traf eine Wehe sie so hart und unvermittelt, dass sie sich jammernd zusammenkrümmte.
    So fand Lisbeth sie vor, als sie mit Änne an der Hand und Dietrich auf dem Arm hereinkam.
    Die junge Magd, die selbst schon zwei Kinder geboren und verloren hatte, verstand sofort. »Ich hole die Wehmutter … und suche jemanden, der sich derweil um Eure Kinder kümmert.«
    Sie füllte Clara einen Becher mit kühlem Wasser, half ihr aufs Bett, dann lief sie hinaus, beide Kinder mit sich nehmend.
    Noch nie war Marthes Tochter eine Zeit allein so quälend lang vorgekommen wie die bis zu Lisbeths Rückkehr. Die Wehen jagten plötzlich in viel kürzeren Abständen als eben noch durch ihren Körper, der Schmerz biss sich in ihr fest, dass sie die Hände ins Laken krallte und stumm betete, die alte, erfahrene Wehmutter möge endlich kommen und ihr beistehen.
    Doch Lisbeth kehrte allein zurück, mit ängstlicher Miene.
    »Die Wehmutter ist nicht hier. Niemand weiß, wo sie steckt.«
    Das war verwunderlich – wusste doch jedermann auf der Burg, dass dieses Kind bald zur Welt kommen würde, und am Morgen hatte Clara ihr Bescheid gegeben, dass es wohl heute so weit war.
    »Ich habe mich umgehört. Eine der Mägde sagte, es gibt noch eine andere Wehmutter unten in der Stadt. Soll ich sie suchen?«
    »Nein, geh nicht weg!«, bat Clara in ihrer Verzweiflung und konnte vor Schmerzen kaum noch einen Gedanken fassen. »Warte …«
    Sie atmete tief durch, als der Schmerz verebbte – für den Moment. »Schick Paul. Sag seinem Waffenmeister, seine Stiefschwester brauche dringend Hilfe. Dann wird er ihn gehen lassen … hoffe ich.«
    Wieder huschte Lisbeth hinaus, kam bald darauf zurück, nickte zuversichtlich und setzte sich zu Clara, um ihr die Hand zu halten, als die nächste Wehe ihren Körper durchflutete. Pauls Lehrmeister hatte, als er von der Natur der Notlage erfuhr, eine der Mägde herangerufen und sie aufgefordert, dem Vierzehnjährigen genau zu beschrieben, wo er die Heilkundige finden konnte.
    Es schien eine halbe Ewigkeit zu vergehen, bis Paul endlich mit der fremden Wehmutter kam. Bevor er wieder ging, winkte er Lisbeth nach draußen und wechselte dort mit ihr ein paar kurze, besorgte Worte, von denen Clara nichts mitbekam.
    »Euer erstes Kind?«, fragte die Wehmutter, eine üppige Frau Mitte vierzig mit tiefer Stimme und in zerlumpten Kleidern. Schnaufend stellte sie einen großen Weidenkorb neben dem Bett der Kreißenden ab.
    »Das dritte«, stöhnte Clara.
    »Dann sollte es doch schnell gehen«, meinte die Frau zufrieden und

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