Der Traum der Hebamme / Roman
umziehen.«
Elisabeth entschied sofort, in welcher Kammer sie Quartier nehmen konnten.
Ein Knecht, den Marthe noch von ihrem früheren Aufenthalt auf der Burg kannte, führte sie auf Elisabeths Anweisung dorthin, und da er sich noch gut daran erinnerte, wie Marthe ihnen bei der ersten Belagerung geholfen hatte, erbot er sich, ihr nicht nur kaltes, sondern sogar warmes Wasser zum Waschen zu bringen.
»Wie wird es nun weitergehen?«, fragte sie Lukas, während sie sich die Schuhe auszog und die schmerzenden Füße rieb.
Lukas zerrte sich die Kettenhaube und die Polsterkappe vom Kopf. Sein Gesicht war staubverschmiert, sein blondes Haar schweißverklebt. Er konnte es kaum erwarten, aus dem durchschwitzten Gambeson zu kommen und sich mit kaltem Wasser zu erfrischen.
»Albrecht ist mit seinen Männern Richtung Norden geflohen und wird sie dort sammeln«, sagte er, beugte sich vornüber und ließ Marthe das Kettenhemd von seinem Körper ziehen. Den Knappen hatte er weggeschickt; der Bursche ging ihm mit seinem Übereifer aufs Gemüt, und für drei war in dieser kleinen Kammer wirklich kein Platz.
»Wir warten noch auf Nachricht unserer Kundschafter«, berichtete er weiter, als er die schwere Rüstung endlich los war. »Und auf die Reichsministerialen, die sich uns anschließen werden. Mehrere sind heute schon mit etlichen Bewaffneten zu uns als Verstärkung gekommen: der Herr von Colditz mit seinem Sohn Heinrich, der Burggraf von Leisnig, der Herr von Wildenfels, der Vogt von Reichenbach … Weitere erwarten wir morgen und übermorgen. Das wird ein regelrechter Aufstand der hiesigen und pleißenländischen Reichsministerialität gegen Albrecht. Gemeinsam können wir ihn vernichtend schlagen.«
Und was wird danach?, fragte sich Marthe in Gedanken. Ich kann ich mir nicht vorstellen, wie ein Sieg aussehen soll, solange Albrecht lebt.
Sie schloss die Augen und lehnte den Kopf gegen die Wand. »Können wir uns nicht beim Mahl entschuldigen lassen? Ich bin so müde.«
Ich möchte heute Abend lieber mit dir zusammen sein, dachte sie, ohne es auszusprechen. Wer weiß, was geschieht, wenn wir morgen oder übermorgen in die nächste, die entscheidende Schlacht reiten.
Lukas trat zu ihr und küsste ihre Schläfe. Auch er hätte diesen Abend lieber allein mit Marthe verbracht.
»Da es die Siegesfeier eines Grafen und eines Landgrafen ist, können wir uns davor wohl nicht drücken«, sagte er bedauernd. »Aber ich habe die Hoffnung, dass sie die Tafel bald aufheben, weil morgen alle bei Kräften sein müssen.«
Zu seiner Erleichterung behielt Lukas recht mit seiner Vermutung. Sobald sie durften, zogen sich er und seine Frau zurück in ihre Kammer.
Marthe schaffte es nicht einmal, so lange die Augen aufzuhalten, bis Lukas entkleidet war und sich zu ihr legte.
Bedauernd und besorgt zugleich sah er auf die Frau, die er liebte, und strich sanft über ihre Wange, ganz vorsichtig, um sie nicht aufzuwecken.
Sollte sie jetzt ausschlafen.
Das entgangene Liebesspiel würde er morgen früh nachholen.
Hermann und Dietrich ließen zwei Tage verstreichen, ehe sie ihre Streitkräfte gemeinsam gegen Albrecht führten.
Klüger wäre es vielleicht gewesen, die in die Flucht Getriebenen gleich zu verfolgen, bevor sie sich wieder sammeln konnten.
Aber nach über hundert Meilen Gewaltmarsch von Eisenach hierher und dem Kampf wollten sie dem Heer eine Ruhepause gönnen, bevor es zwei weitere Tagesmärsche zu bewältigen hatte und dann in eine große Schlacht ziehen musste.
Außerdem hatte jeder von ihnen noch einen Grund, in Weißenfels zu verharren.
Hermann wollte den weiteren Zustrom der kaiserlichen Gefolgsleute abwarten. Jeden Tag trafen neue Verbündete ein.
Und Dietrich versuchte, sich auszumalen, wie es enden würde, wenn sie sofort mit ihrer gesamten Streitmacht den Versprengten nachjagten. Dann lief wohl alles darauf hinaus, Albrecht zu töten. So tief ihre Feindschaft auch war, so viele Eide Albrecht auch gebrochen hatte – Dietrich scheute davor zurück, einen Brudermord begehen.
Und was geschähe nach Albrechts Tod? Sophia von Böhmen würde die Mark Meißen nicht behaupten können, und er selbst vermochte sie nicht einfach zu besetzen, ohne einen so groben Rechtsbruch zu begehen, dass es ihn auch noch Weißenfels kosten könnte.
Vielleicht würde ihm sein Zögern zum Verhängnis werden. Aber er wollte dem Älteren wenigstens die Chance einräumen, seine Niederlage zu begreifen und ein Friedensangebot zu
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