Der Traum der Hebamme / Roman
Willkür des Markgrafen beizustehen. Oft war damals auch Clara bei ihnen gewesen, wenngleich das niemand sonst wissen durfte.
Auch Kuno, Bertram und sogar der alte Fuhrmann Friedrich quälten sich ächzend die Leiter hinauf, während sein Bruder Hans an Jonas’ Seite blieb, um ihn zu trösten.
»Nun erzähl schon!«, forderte Kuno den jungen Schmied auf und lehnte sich gegen einen Pfosten. Doch Guntram konnte nicht viel mehr sagen als vorhin. In drei Tagen würde Albrecht hier eintreffen und seine Truppen durch einen Teil der Freiberger Mannschaft verstärken.
»Ohne mich«, sagte Kuno lakonisch und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Nicht mit mir«, meinte auch Bertram. Er sah den Freund an, verständigte sich durch einen Blick mit ihm und sagte: »Wir reiten nach Weißenfels und schließen uns Graf Dietrichs Truppen an.«
»Ihr könnt hier nicht einfach verschwinden und meine Schwester im Stich lassen!«, rief Karl entgeistert. »Was soll aus Johanna werden? Sie werden sie dafür bestrafen, dass ihr nicht mit in den Krieg zieht.«
»Du verstehst nicht«, widersprach Kuno, so ruhig er konnte. »Du kannst hierbleiben, ein Bergschmied wird bei den Gruben stets gebraucht werden, denn auf das Silber ist Albrecht sehr erpicht. Aber für uns Kämpfer geht es jetzt darum, auf welcher Seite wir in diesem Krieg stehen werden. Und Krieg wird es geben, das ist nun unausweichlich.«
»Es geht jetzt nicht mehr nur darum, eine Nachricht an Lukas oder Graf Dietrich zu überbringen«, ergänzte Bertram. »Entweder wir schlagen uns sofort zu ihnen durch und bleiben dort, oder wir müssen gegen sie ins Feld ziehen!«
»Und meine Schwester? Wollt ihr sie etwa mit euch nehmen in den Krieg?«, regte sich Karl auf.
»Johanna und ich haben uns längst abgesprochen für die Lage, die gerade eingetreten ist«, erklärte Kuno dem verblüfften Karl. »Ihr Plan ist es, dann zu Pater Sebastian zu gehen und ihm vorzubarmen, dass ich mit einer von den Gauklerinnen durchgebrannt sei – und zwar noch bevor hier Truppen aufgestellt werden. Er wird die Sache ganz bestimmt nicht für sich behalten, und so dürfte Johanna außer Verdacht sein. Wenn du sichergehen willst, hol sie und die Kinder in dein Haus.«
Karl verzog das Gesicht. »Was hast du nur aus meinem braven, schüchternen Schwesterherz gemacht?«
Dann sah er Kuno herausfordernd an. »Gut. Ich nehme sie und die Kinder bei mir auf. Dafür werde ich überall verkünden, was für einen windigen Kerl sie geheiratet hat, wenn der sie für eine Gauklerin im Stich lässt.«
Seine Worte ließen die anderen trotz der ernsthaften Lage grinsen.
Peter stach eine Mistgabel in einen Heuhaufen, die ihm im Weg stand, und setzte sich auf eine umgedrehte Kiepe.
»Weißt du, ob dieser Dreckskerl Rutger mit in den Krieg zieht oder hier weiter das Silber im Auge behalten soll?«, erkundigte er sich bei Guntram.
Der hob bedauernd die Schultern. »So weit bin ich nicht eingeweiht. Ich bin nicht gerade ein Vertrauter des Truchsessen … Vielleicht kommt morgen ein Bote zu ihm und bringt Befehle. Haltet einfach Augen und Ohren auf!«
»Nun, mein tapferer Herr denkt ja inzwischen, er habe mir durch seine Prügel den Ungehorsam ausgetrieben«, meinte Peter spöttisch. »Also werde ich brav an seiner Seite bleiben – ganz gleich, ob hier oder auf dem Feldzug – und die Ohren spitzen.«
»Die Ohren und die Finger …«, ergänzte Christian, was die Jüngeren in der Runde zum Lachen brachte. Peter, der einstige Dieb und bis zu Rutgers Einzug Großknecht von Lukas und Marthe, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, den verhassten neuen Kommandanten der Burgwache um Teile seines beträchtlichen Vermögens zu erleichtern. Und er stellte sich dabei so geschickt an, dass kein Verdacht gegen ihn aufkam. Nur hin und wieder beschwerten sich Rutger und seine Männer, die sich in Lukas’ Haus eingenistet hatten, über die offenkundig große Zahl der Beutelschneider in dieser Stadt. Das erbeutete Silber ließen Peter und seine Freunde heimlich Hilfsbedürftigen zukommen.
»Dann werdet ihr zwei also heute noch von hier verschwinden?«, fragte Christian bedauernd. »Was können wir derweil tun?«
»Das Übliche: im Verborgenen bleiben, etwas über die Pläne der anderen herausfinden, den in Not Geratenen helfen«, meinte der alte Fuhrmann Friedrich. »Auch wenn der Kampf vorerst in Weißenfels ausgetragen wird, betroffen sind wir auch hier. Männer müssen in den Krieg, und sicher hat sich Albrecht eine
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