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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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aufbringt wie wir damals, vielleicht sogar noch mehr unter diesen Verhältnissen«, hörte sie die unverkennbar stolze Stimme ihres Mannes von hinten.
    Dann erkannte sie am strohblonden Haarschopf Christian, das erste im neuen Dorf geborene Kind und inzwischen Stallmeister auf der Freiberger Burg, seine Frau Anna, den stämmigen Peter, einst Dieb, nun Großknecht im Haus des Anführers der Burgwachen, und die Burschen, die zusammen mit ihren Söhnen so mancherlei ausheckten, um Bedrängten in der Stadt zu helfen.
    Beim Anblick der jungen Leute, die ihr aufmunternd zulächelten, fühlte sie sich, als ob ein Sonnenstrahl ihr Herz erwärmte. Vielleicht war es falsch von ihr gewesen, die Hoffnung aufzugeben, dass sie in dieser Stadt einmal ein Leben ohne Angst und Sorge führen konnten …
    Noch einmal öffnete sich die Tür knarzend. Und nun hörte sie die Stimme ihres Zweitältesten, der eigentlich noch gar nicht da sein konnte: »Was ist denn hier los?«
     
    Guntram zwängte sich durch das Gewühl, offensichtlich mit ein paar kurzen Worten gerade erst von seinem Vater ins Bild gesetzt, wie es um seine Mutter stand. Wieso war er gekommen? Musste er etwa aus Meißen fliehen?
    Der junge Schmied – mit rötlichen Haaren wie alle ihre Kinder – versuchte, sich von seinem Erschrecken nichts anmerken zu lassen. Er setzte sich zu ihr wie vorhin sein Vater und küsste ihre Wange.
    »Keine Sorge, Mutter. Wir lassen dich nicht allein«, sagte er ungewohnt sanft.
    Emma lächelte. Ihr Zweitältester hatte es also doch noch rechtzeitig zu ihr geschafft; das von ihren Kindern, das sie insgeheim am meisten mochte. Vielleicht, weil er so weit weg von zu Hause lebte, vielleicht, weil er seinem Vater am ähnlichsten war: verwegen und nicht so durch und durch besonnen wie Johann, ihr Erstgeborener. Vielleicht aber auch deshalb, weil sie als Einzige von seiner uneingestandenen Liebe wusste, die sich nie erfüllen würde, und ihn deshalb bedauerte.
    Das Lächeln blieb auf ihrem Gesicht, als sie ihren letzten Atemzug tat.
    Guntram sah auf seine Mutter, bekreuzigte sich und blickte hilflos zu seinem Vater, der sich nun zu ihm durchdrängte, die Hand seiner toten Frau nahm und an sein Gesicht presste, während er leise schluchzte.
    Der Sohn schluckte.
    »Gott hat dich wohl hierher gesandt, damit du dich von Mutter verabschieden konntest«, meinte Johann bedrückt.
    Sein jüngerer Bruder schüttelte den Kopf. »Ganz bestimmt nicht
Gott
«, sagte er bitter und drehte er sich zu Christian und Peter um.
    »Ihr müsst sofort jemanden zu Lukas schicken! Graf Dietrich ist aus dem Heiligen Land zurück, und sein Bruder sammelt in Meißen Truppen, um in Weißenfels einzufallen. In drei Tagen will Fürst Albrecht auf den Kriegszug reiten, mit zweihundertfünfzig Mann!«

Zukunftspläne
    J ohanna durchbrach als Erste das entsetzte Schweigen.
    Sie warf ihre blonden Zöpfe nach hinten und sah vorwurfsvoll auf die jungen Männer.
    »Was ihr dazu auch bereden müsst – tut es draußen!«, meinte sie energisch. »Aus Ehrfurcht vor der Toten und vor ihm!«
    Mit dem Kopf wies sie auf Jonas, der nun am Bett seiner Frau kniete und leise betete.
    »Ich übernehme die Totenwäsche. Kümmerst du dich um das Essen, Anna?«
    Christians Frau nickte sofort. »Ich könnte auch hier den Haushalt führen, statt in der Burgküche zu arbeiten«, bot sie an.
    »Das wäre Jonas sicher eine große Hilfe«, meinte Johanna und wandte sich an den Erstgeborenen des Schmiedes. »Trotzdem, du solltest schnell wieder heiraten. Allein kann auch Anna nicht mit den vielen Kindern und der ganzen Arbeit fertig werden.«
     
    »Kommt mit in den Stall, auf den Heuboden«, schlug Guntram den anderen vor. Er warf einen letzten Blick auf seine Mutter und sprach in Gedanken ein inniges Gebet für ihre Seele. Auch wenn er bei seinen wenigen Besuchen gesehen hatte, wie sie in den letzten Monaten immer mehr zusammengefallen war, traf ihn ihr Tod sehr. Statt mit Gott zu hadern, sollte er wohl lieber dankbar sein, dass er sie noch einmal hatte sprechen dürfen.
    Doch die Neuigkeiten, die ihn ausgerechnet heute von Meißen hierhergetrieben hatten, duldeten keinen Aufschub.
    Mit der größten Selbstverständlichkeit folgten ihm seine Brüder zusammen mit Christian und Peter auf den Heuboden – dorthin, wo sie sich schon als Kinder getroffen hatten, um Streiche auszuhecken, und später, um insgeheim im Auftrag von Lukas und Marthe den Stadtbewohnern gegen den hartherzigen Burgvogt und die

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