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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Jetzt ist mein Haar fast weiß, und ich bin eine alte Frau.«
    Jonas riss sich zusammen, um zu lächeln, und legte seine schwielige Rechte an ihre Wange. »Du warst das hübscheste Mädchen im Dorf. Und ich sehe dich heute noch so wie damals: Dein Haar ist kupfergolden, dein Lachen macht mich froh.«
    »Wann habe ich zum letzten Mal gelacht?«, fragte sie matt. »Es ist wohl der Kummer, der mich auffrisst … seit sich hier alles zum Schlimmen gewandelt hat.«
    Jonas widersprach nicht. Auszehrung – so nannte Johanna die Krankheit, die etliche ins Grab zog, vor allem Frauen nach zu vielen Entbindungen bei harter Arbeit und kargem Essen. Emma hatte acht Kinder zur Welt gebracht, von denen drei noch lebten, aber als Schmied hatte er gut für ihr Auskommen sorgen können. Selbst in schlechten Zeiten musste seine Familie keinen Hunger leiden.
    Es war eine andere Not, die sie meinte: die ständige Drohung, die über ihnen schwebte, seit ein gnadenloser Herrscher das Land regierte und diejenigen getötet oder vertrieben hatte, die noch für Gerechtigkeit sorgen wollten.
    Müde schloss Emma die Augen. Nach einem Moment, der ihm besorgniserregend lang vorkam, öffnete sie die Lider und sah ihn direkt an.
    »Sag mir eines ganz aufrichtig: Hast du es je bereut, dass wir damals unser Dorf verließen und auf diese Reise ins Ungewisse gingen?«
    Damals – vor fast fünfundzwanzig Jahren, als sie gemeinsam mit einer Gruppe Siedler aus Franken in die Mark Meißen gekommen waren, um im Dunklen Wald Land urbar zu machen. Die Hoffnung auf ein besseres Leben hatte sie dazu getrieben.
    Überrascht blickte Jonas auf seine Frau. Dann zuckte er mit den Schultern und breitete die Arme aus. »Natürlich nicht!«
    »Du hättest die Schmiede deines Vaters übernehmen können, wenn du geblieben wärst«, erinnerte sie ihn.
    »Und ich wäre Dorfschmied geworden – im besten Fall. Nun bin ich Schmied in einer Stadt, die so groß ist, dass auch unsere Söhne hier ihr Brot mit Hammer und Amboss verdienen können«, sagte er, so fest er konnte angesichts der Verzweiflung, die ihn überkommen wollte.
    »Das war damals nicht abzusehen … dass hier einmal Silber gefunden wird und im Handumdrehen aus dem Wald eine Stadt wächst«, hielt Emma entgegen, obwohl ihr das Sprechen schwerfiel. »Denk nur daran, wie gefahrvoll unser Weg war. Wie viele gestorben sind von denen, die damals mit uns in die Fremde zogen. Was du erleiden musstest durch diesen schrecklichen Randolf und seinen Verwalter. Sie hätten dich und Karl fast totgeprügelt.«
    Sie fröstelte bei der Erinnerung, und erneut griff Jonas nach ihren eiskalten Händen, um sie mit seinen zu wärmen.
    »Prügel oder noch Schlimmeres hätte mich in unserem alten Dorf auch erwartet«, widersprach er, und sie wusste genau, was er damit meinte: Der Burgherr hatte zu viel Interesse an der hübschen Emma bekundet. Deshalb wollten sie lieber in der Fremde ihr Glück versuchen.
    Erneut schloss die Frau des Schmiedes die Augen, um die Erinnerungen zu verdrängen: wie der alte Dorfherr sie in sein Bett gezwungen hatte, indem er drohte, Jonas ins Verlies zu werfen, wie sie sich später einem widerlichen, fetten Verwalter hingeben musste, um ihren fast zu Tode geschundenen Mann zu retten.
    »Das ist lange her, mehr als ein halbes Menschenleben. Wir hatten keine Ahnung, was uns fern von zu Hause erwartete«, sagte Jonas wehmütig und strich sich durch das dunkle Haar, das inzwischen von weißen Fäden durchzogen war. »Doch wir waren so voller Hoffnung!«
    »Voller Hoffnung … weil wir genau spürten, dass uns Christian einmal ein besserer Herr sein wird«, widersprach sie, und plötzlich leuchteten ihre Augen. »Und das war er – gerecht und mit Herz für die einfachen Leute. Er hat für uns gekämpft.«
    Jäh erlosch das Leuchten auf ihrem eingefallenen Gesicht. »Darum musste er sterben. Lukas und Marthe wollten sein Werk fortsetzen, doch auch sie bezahlten fast mit dem Leben dafür. Und nun sind sie weit fort von hier …«
    »Dennoch: Wir haben ein gutes Leben geführt. Denk nur an unsere Kinder und Enkel!«, versuchte Jonas, sie zu trösten. Er schwenkte den Arm durch die Schlafkammer ihres Fachwerkhauses am Mühlgraben: schmucklos, aber solide gebaut und größer als die meisten Häuser in diesem Viertel. Sie besaßen Truhen voller Leinen und Werkzeug, einen Stall und einen eigenen Brunnen für das Gehöft. Die Schmiede, deren Feuer heute nicht entzündet werden würde, stand ein Stück

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