Der Traum der Hebamme / Roman
ihr eine tiefe Stimme ins Ohr. »Ihr seid gerade sehr weit fort. Kommt Ihr zurück zu mir?«
Sie schloss für einen Moment die Lider, wie um dann aufzuwachen und in die Gegenwart zu finden.
Boris, der auf seinen Platz zurückgekehrt war, lächelte ihr zu, und das riss sie endgültig aus ihren Gedanken. Er nahm ihre Hand zwischen seine Hände, drückte sie sanft, dann stand er auf und räusperte sich.
Jäh begriff Clara, was er vorhatte, und mit einem Mal schien aller Mut sie zu verlassen.
»Geschätzte Brauteltern, werte Gäste«, rief er. »Ich danke euch allen dafür, dass ihr diesen glücklichen Tag mit mir und meiner schönen Braut teilt. Für eure guten Wünsche und eure Freundschaft. Euch, Lukas und Marthe, danke ich dafür, dass ihr mir eure Tochter anvertraut und uns euren Segen gegeben habt. Und Euch, Clara …«
Nun zog er sie hoch, nahm erneut ihre Hand und küsste sie. »Euch danke ich ganz besonders für Eure Gunst.«
Besitzergreifend legte er seinen Arm um ihre Schultern und sagte zu Hilbert: »Pater, hättet Ihr die Güte, das Brautbett für uns zu segnen?«
Clara wurden die Beine schwach. Doch nun gab es kein Zurück. Und sie war ja wirklich keine Jungfrau mehr, dass sie sich ängstigen müsste. Oder? Hatte sie sich doch zu vorschnell entschieden?
Sie mied den Blick zu ihrer Mutter und zu Lukas, weil sie ihre Furcht nicht zu erkennen geben wollte.
Boris führte sie sicher durch die Menschenmenge zur Tür, die mit Birkenreisern geschmückt war. Er ließ Pater Hilbert den Vortritt, doch nachdem dieser seinen Segen für die Brautleute ausgesprochen hatte, die noch voll bekleidet vor dem Bett standen, statt sich nackt hineinzulegen, schickte er alle neugierigen Gäste hinaus.
»Von hier an kommen wir allein zurecht«, erklärte er fröhlich grinsend. »Feiert ihr inzwischen draußen weiter, trinkt auf unser Wohl und auf viele hübsche Kinderchen!«
In seiner Muttersprache sagte er etwas zu Pawel – vermutlich die Anweisung, dafür zu sorgen, dass es keine Störenfriede und keine Lauscher gab. Änne und ihre Brüder würden heute bei Marthe schlafen.
Als sie in der Kammer allein waren, stand Clara starr und stumm und wartete, was nun geschehen würde. Frauen, die an dieser Stelle unaufgefordert etwas taten, galten als unkeusch und verdorben. Das hatte ihr Ida vor ihrer ersten Hochzeit eingeschärft, und das predigten die Geistlichen.
Doch auch Boris unternahm noch nichts von dem, was ein Bräutigam in der Hochzeitsnacht üblicherweise tat.
»Clara,
duschá majá,
wie soll ich es dir sagen …«
Schon wieder fehlten ihm die Worte! Dabei hatte er nun wirklich viele Frauen in seinem Bett gehabt! Aber noch keine davon war seine Ehefrau gewesen. Das war das Dilemma.
Er trat einen Schritt auf sie zu und zog ihr Schleier und Schapel vom Kopf. Überraschend sanft strich er mit seinen großen Händen durch ihr kastanienfarbenes Haar und entflocht es. Er liebte es, wenn Frauen ihr langes, schönes Haar zeigten. Auch deshalb hatte er ihr die Ohrringe geschenkt – er wollte nicht, dass sie ein Gebende trug.
Dann legte er seine Hand an ihre Wange und küsste sie erneut.
Clara spürte, wie ein Zittern durch ihren Leib ging, in ihrem Bauch schienen Schmetterlinge zu flattern.
»Liebste, es ist mir gleich, was sich nach Meinung der Leute und der Kirche im Bett zwischen Eheleuten geziemt oder nicht«, wisperte er ihr ins Ohr. »Ich möchte dir Freude bereiten. Du musst also nicht still bleiben, sondern ich bitte dich von ganzem Herzen, zeige mir, was dir gefällt.«
Das musste er loswerden. Sie war eine tapfere und leidenschaftliche Frau, ganz anders als diese verschüchterten, unerfahrenen, blutjungen Mädchen, die ihn wenig reizten. Deshalb hatte er sich Hals über Kopf in sie verliebt.
Doch jetzt war keine Zeit mehr zum Reden oder Nachdenken. Er zog Clara an sich und küsste sie heftig, während er mit einer Hand ihren Rücken hielt, mit der anderen schon an den Schnüren ihres Bliauts zog. Für einen Moment lösten sie sich voneinander und halfen sich voller Ungeduld gegenseitig aus den Kleidern.
Dann nahm Boris seine Frau auf die Arme und trug sie zum Bett. Während er ihre Brüste und ihren Hals liebkoste, erspürte er, dass er ihr willkommen war, also drang er sofort in sie ein und genoss das unbeschreibliche Gefühl. Er verharrte einen Augenblick, knabberte an ihrem Ohrläppchen, raunte: »Ich will dich glücklich machen. Ich will dich lachen sehen.«
Da zog sie ihn zu sich herab,
Weitere Kostenlose Bücher