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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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und nun Stadtbürger. Vielleicht ging das zu schnell, um das Leben eines Knechtes hinter sich zu lassen? Braucht es mehr als eine Lebensspanne, um aus einem Knecht einen Bürger zu machen? Aber wer nicht wenigstens ein Körnchen Mut besitzt, dem wird selbst in hundert Jahren keiner wachsen.
    Ein dumpfer Anflug von Gefahr riss sie aus ihren Gedanken. Instinktiv griff sie nach Lukas’ Arm, der an ihrer Miene sah, dass etwas nicht in Ordnung war, und sofort die Umgebung nach möglichen Feinden absuchte.
    Die Menschen um sie herum schienen nichts zu bemerken, sie lachten immer noch über Ludmillus’ zunehmend deftige Gesänge.
    Nun erkannte sie die Ursache für ihr alarmierendes Gefühl: Pater Sebastian, inzwischen zu einem dürren Greis geschrumpft, mit hängenden Schultern und ohne einen einzigen Zahn, kam mit eiligen Schritten zum Tor geschlurft und schrillte: »Sünde!«
    Schlagartig verstummten die Gespräche der Festgäste, erschrocken starrten sie auf den Geistlichen in der schmutzigen, zerrissenen Kutte.
    »Gaukelei und Narrenpossen sind wider Gottes Willen! Tut lieber Buße, sonst werden die im Jenseits weinen, die im Diesseits lachen!«
    »Dies ist eine Heirat, Väterchen! Die muss gebührend gefeiert werden, wenn wir Gott für das heilige Sakrament der Ehe danken wollen!«, warf Boris von Zbor mit gespielter Harmlosigkeit ein.
    »Väterchen?
Ihr nennt mich
Väterchen?!
«, keifte Sebastian. Völlig aus der Fassung gebracht, japste er nach Luft.
    »Mit vollstem Respekt«, versicherte Boris treuherzig. Er hatte von diesem Eiferer gehört und wollte weder Marthe noch Clara in Gefahr bringen. Aber sein Hochzeitsfest würde er sich von diesem erbärmlichen Kerl auch nicht verderben lassen.
    »Ein Wende!«, brachte Sebastian verächtlich hervor, nachdem er den Bräutigam genauer gemustert hatte.
    »Ein deutscher Ritter und frommer Christ«, widersprach Boris mit Nachdruck und erhob sich zu voller Größe.
    Das genügte Sebastian, um schleunigst seinen Rückzug vorzubereiten. In seinen Gedanken durchlebte er gerade noch einmal den Augenblick, als ihn dieser wahnsinnige Truchsess beinahe erwürgt und abgestochen hatte. Wer sagte, dass der Wende hier nicht noch verrückter war?
    Aber ganz ohne ein letztes Wort würde er das Feld nicht räumen.
    »Statt euch sündigem Gesang und Narrenpossen hinzugeben, solltet ihr lieber um Genesung für unseren Kaiser beten! Er ist erneut am Sumpffieber schwer erkrankt«, hielt er der Hochzeitsgesellschaft triumphierend vor. »Falls er stirbt, wird er nicht in geweihtem Boden begraben, denn der Heilige Vater hat ihn exkommuniziert, weil er einen Wallfahrer gefangen genommen hat!«
    »Das werden wir tun, Pater«, versicherte Boris, kramte eine Pfennigschale aus seinem Almosenbeutel hervor und ließ sie dem Greis bringen. »Hier, kauft davon in meinem Namen Kerzen und zündet sie an, wenn Ihr um das Wohl des Kaisers betet – und darum, dass er wieder in den Schoß der Heiligen Mutter Kirche aufgenommen werden kann.«
    Das schien Sebastian der beste Abgang, den er unter diesen Umständen erwirken konnte. Mit seinen dürren, schmutzigen Fingern umklammerte er das Geld und schlurfte ohne ein weiteres Wort davon.
     
    Einen Augenblick lang herrschte Totenstille in der Runde. Dann hob Boris seinen Becher und rief: »Auf den Kaiser!«
    Nach Lukas’ Zeichen begann Ludmillus, erneut zu spielen.
    Doch die Stimmung hatte sich geändert, und Clara entging nicht, dass ihr nunmehriger Mann sich einige Zeit später erhob, seinem Schwiegervater die Pranke auf die Schulter legte und ihm zuraunte: »Du kannst auf mich zählen, wenn es so weit ist!«
    Clara und Marthe wussten sofort, worum es ging. Wenn der Kaiser starb, war zweifelhaft, ob sein zweieinhalbjähriger Sohn, den die Fürsten zum König gewählt hatten, auch tatsächlich als Regent anerkannt wurde. Solche unruhigen Zeiten brachten zumeist Krieg; sie spalteten das Land im Streit um die Thronfolge.
    Aber für Dietrich ergab sich vielleicht eine Chance, die Zeit ohne handlungsfähigen König zu nutzen und die Mark Meißen zu erobern, so wie es sein Großvater Konrad einst getan hatte.
    Was würde die Zukunft bringen? Tod und Blutvergießen? Oder Dietrich als Markgrafen von Meißen?
    Clara wollte jetzt nicht an ihn denken.
    Konnte Boris von Zbor die Wunde heilen, die er in ihrem Herzen hinterlassen hatte?
    Und wie würde es sein, wenn Dietrich aus dem Heiligen Land zurückkehrte und sie als verheiratete Frau vorfand?
    »Clara«, flüsterte

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