Der Traum der Hebamme / Roman
zusammenrechnet. Sammle deine Gefolgsleute und reite los. Wie steht es in Meißen, Raimund?«
»Der markgräfliche Palas ist noch nicht wieder aufgebaut, der Statthalter hat Quartier beim kaiserlichen Burggrafen.«
»Dann brauchen wir Meißen jetzt nicht – dort hältst du einfach Einzug, nachdem ich mit Philipp verhandelt habe. Es läuft alles darauf hinaus, dir Freiberg und die Münze zu sichern, ehe es Otaker oder sonst jemand tut.«
Dietrich nickte; das stimmte mit seinen Plänen überein.
»Ruft sämtliche Ritter aus der Umgebung zusammen«, befahl er Norbert von Weißenfels. »Daniel, Ihr kehrt umgehend nach Freiberg zurück und sagt Lukas, er soll mich mit meiner Streitmacht in einer Woche erwarten und alle Vorbereitungen treffen.«
Beide Männer brachen sofort auf; ebenso Raimund, der mit Wito in sein Gestüt reiten wollte, um die besten Pferde und noch ein paar Männer herzuholen.
Markgraf Konrad nahm sich noch ein Stück Fleisch und kündigte an, nun endlich das versprochene Bad nehmen zu wollen. Kaum sei er wieder hier bei diesem nasskalten Wetter, mache ihm die Gicht schlimmer denn je zu schaffen.
Nachdenklich blieb Dietrich allein am Tisch zurück.
Er hatte nicht den geringsten Zweifel an dem, was er tun würde. Es war
sein
Land, das Land seiner Väter. Endlich würde er die Regentschaft antreten, von der er so lange geträumt hatte. Die Städte wollte er fördern und zum Erblühen bringen, neue Städte gründen. Den markgräflichen Palas in Meißen wieder aufbauen, größer und schöner, als er je war. Nach der blutigen Herrschaft Albrechts sollten endlich friedliche Zeiten anbrechen, in denen Ernte und Vieh gediehen, die Menschen nicht hungers starben.
In Freiberg würde es beginnen.
Es klopfte zaghaft, Jutta trat ein.
»Mein Gemahl, kann ich etwas für Euer Wohlbefinden tun?«, erkundigte sie sich höflich.
Sie waren nun allein in der Kammer, und was sie von ihm erwartete, ließ sich unschwer an ihrem Blick absehen. Es wäre jetzt wohl auch seine Pflicht als treusorgender und höflicher Gemahl, ihr wenigstens einen Kuss zu geben und ein paar freundliche Worte zu sagen.
Doch alles in ihm sträubte sich in diesem Moment gegen Jutta – er wollte Clara, mehr denn je, nachdem sie nun einem anderen gehörte. Er könnte es jetzt nicht ertragen, mit Jutta ins Bett zu gehen.
Und sie würde es auch nicht können, denn sie würde merken, was in ihm vorging und dass er in Gedanken nicht bei ihr war.
»Ich möchte Euch gern einen Sohn schenken«, flüsterte Jutta.
Dietrich zwang sich zu einem Lächeln. »Dafür bleibt uns noch viel Zeit. Jetzt sind erst einmal wichtige Dinge vorzubereiten. Ihr wisst, es geht um die Zukunft des Landes, die Zukunft des Kaiserreiches. Und die Zukunft des Hauses Wettin.«
Sie konnte ja nichts dafür.
Ohne sich ihre Enttäuschung anmerken zu lassen, stimmte Jutta ihm zu und ging wieder hinaus.
Entscheidung in Freiberg
L ukas wartete. Und mit jedem Tag, der verstrich, wurde er unruhiger. Vor drei Tagen hatte Daniel ihnen Nachricht von Dietrich überbracht.
Marthe war überglücklich, dass Thomas noch lebte, und zugleich zutiefst betrübt, dass sie ihren ältesten Sohn vermutlich nie wiedersehen und seine junge Frau nie kennenlernen durfte. In ihrem Gefühlstumult klammerte sie sich an das Büchlein über die Heilkunst und verbrachte Stunden damit, sich von Pater Hilbert die Erklärungen übersetzen und vorlesen zu lassen. Ihre Augen leuchteten vor Freude, wenn sie ihrem Mann abends von den Heilmethoden und Rezepturen erzählte, die Notker niedergeschrieben hatte.
Es war zwecklos, sie jetzt nach einer Vorahnung fragen zu wollen. Sie war ebenso voller Unruhe wie Lukas, denn schon bald würde sich das Schicksal der Mark Meißen entscheiden.
Ungute Ahnungen – wer hatte die nicht, wenn es um so Großes ging?
Wenn das Land gleich zwei rivalisierende Könige hatte und zerrissen war, wenn Krieg geführt wurde ohne Rücksicht auf Verluste, wenn jeder bewaffnete Kämpfer entscheiden musste, ob er sich auf diese oder jene Seite stellte und dabei nicht nur sein Leben riskierte, sondern auch das Leben derer, die auf seinen Schutz hofften. Es galt als normal, im Krieg den Bauern des Gegners das Vieh abzustechen, die Felder abzubrennen. Die einfachen Leute, die sich nicht wehren konnten, hatten Glück, wenn sie wenigstens mit der nackten Haut davonkamen.
Falls alles nach Plan lief, sollte Dietrich morgen hier eintreffen. Immer wieder versuchte Lukas, sich
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