Der Traum der Hebamme / Roman
heben.
Schicksalsstunde
D er Markgraf kniete mit gekrümmtem Leib auf dem Boden, sein Gesicht war aschgrau und schweißüberströmt, und ein Krampf schüttelte ihn.
Sophia saß mit versteinerter Miene auf der Bettkante, beide Arme eng um den Körper geschlungen, und starrte auf ihren sich vor Schmerz windenden Mann.
Elmar schob den Alchimisten nach vorn. Der trug einen mit verschlungenen Symbolen verzierten Becher.
»Hier, Hoheit, das Gegengift! Es macht jegliches Gift in Euerm Körper unschädlich, und die heiligen Zeichen auf diesem Gefäß werden die Wirkung noch verstärken.«
Beflissen drückte er den Becher Albrecht in die Hand.
Der hatte Mühe, das Gefäß zu halten; er zitterte und verschüttete etwas von dem Inhalt. Vorsichtig umfasste Eustasius die Hand des Markgrafen und half ihm zu trinken. »Ihr müsst es ganz austrinken, Hoheit, damit das Gift aufgelöst wird.«
»Wollt Ihr nicht selbst einmal davon kosten – zum Beweis dafür, dass dies wirklich ein Gegengift ist, Magister?«, fragte Elmar schroff.
Der Gelehrte wand sich geschickt aus der Falle. »Da ich kein Gift aufgenommen habe, würde mich das Gegengift töten«, argumentierte er.
»Damit als Beweis wäre ich vollkommen zufrieden«, knurrte Elmar.
Albrecht würgte qualvoll. Rasch nahm ihm der Alchimist den Becher wieder ab und brachte ihn in Sicherheit. Als Gerald sah, dass der Markgraf schon Blut erbrach und dann von Krämpfen geschüttelt zu Boden sackte, überfiel ihn die Gewissheit, dass kein Trank Albrecht retten konnte. Es würde nicht mehr nötig sein, ihn mit dem Schwert zu töten. Jemand war ihnen zuvorgekommen.
Nun musste er dafür sorgen, dass Lukas, Raimund und Thomas lebend wieder aus der Burg herauskamen, und mögliche Vergeltungsmaßnahmen an den Stadtbewohnern verhindern.
Elmar lehnte fassungslos an der Wand und starrte auf seinen Schützling.
»Hat die Fürstin auch von der vergifteten Speise gegessen?«, fragte Gerald ihn leise.
»Anscheinend nicht. Sie aß nur etwas weißes Brot wegen ihrer Übelkeit«, brachte Elmar zwischen den Zähnen hervor. »Wir wissen noch nicht, worin das Gift steckte und wer es brachte. Aber das finden wir heraus, und wenn ich dafür die halbe Stadt aufknüpfen lasse!«
Er trat zu Albrecht, um dem von Krämpfen Geschüttelten aufzuhelfen.
»Trinkt das Gegengift!«, beschwor er ihn, stützte ihn und setzte ihm den Becher an die Lippen.
Wenn Albrecht starb, dann war sein Lebenswerk dahin, seine Position als zweitmächtigster Mann in der Mark, und er würde alles verlieren – Macht, Geld, Land.
»Versucht, jeden Schluck im Leib zu behalten!«, meldete sich der Alchimist mit seiner dünnen Stimme. »Sonst wirkt es nicht.«
Mit sorgsam verborgenem Triumph sah Eustasius zu, wie ausgerechnet der Truchsess, sein ärgster Feind am Meißner Hof, Albrecht das vermeintliche Gegengift einflößte. In Wirklichkeit enthielt dieser Becher dreimal so viel Arsenik wie das Fleischgericht vom Frühmahl.
Albrecht mühte sich, Elmars unwissentlich falschen Rat zu befolgen. Doch seine krampfartigen Bewegungen und durchdringender Gestank zeigten an, dass sich sein Gedärm zu entleeren begann.
Mittlerweile sah auch Sophia aus, als würde sie gleich etwas hochwürgen. Eustasius warf ihr einen prüfenden Blick zu. Doch ihre Übelkeit rührte wohl von der Schwangerschaft und dem Ekel angesichts des Gestankes.
Er hatte erwogen, auch sie zu töten. Dem Alchimisten war klar, dass Sophias Schwangerschaft ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt in jedem Fall ihr Todesurteil bedeuten würde. Bestünde nicht Gefahr, dass sie nach Albrechts Tod noch einen Erben des Wettiners zur Welt brachte, hätte man sich ihrer auf harmlosere Weise entledigt. Doch dieses Kind durfte nie geboren werden.
Sein Auftraggeber hatte allerdings nur für einen Mord bezahlt. Für den nächsten Mord – oder genauer Doppelmord, schließlich war Sophia schwanger – sollte ihm sein Herr einen ausdrücklichen Auftrag erteilen und damit die Schuld auf sich nehmen. Und ein zusätzliches Salär gewähren.
So blieben Sophia im besten Fall noch vier Wochen ihres armseligen Lebens vergönnt. Zeit, um den verhassten Gemahl zu begraben und über die eigenen Sünden nachzudenken. Immerhin wünschte sie ihrem Mann seit Jahren genau dieses Schicksal, auch wenn sie nicht genug Tatkraft besessen hatte, diesbezüglich etwas zu unternehmen. Aber beim Tod der Frau des Marschalls hatte sie eindeutig ihre Hände im Spiel gehabt. Sie bekam also nur, was sie
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