Der Traum der Hebamme / Roman
konnte.
Sein Vater war gerächt, ebenso Clara, Reinhard und Gerald.
Er sah kurz zu Lukas, dann wiederholte er laut Rutgers Worte von vorhin: »Manchmal mahlen Gottes Mühlen langsam, aber sie mahlen immer gerecht.«
Lukas warf Thomas einen anerkennenden Blick zu – nicht das Lob eines erleichterten Vaters, sondern eine Verständigung unter Kampfgefährten.
Dann sagte er: »Verschwinden wir, solange wir noch können.«
Mit dem Gottesurteil hatte Thomas nicht nur einen gefährlichen Feind unschädlich gemacht, der ihnen und ihren Vertrauten Schlimmes zugefügt hatte, sondern auch die Situation auf dem Burghof zu ihren Gunsten geklärt. Freiberg würde von dem befohlenen Strafgericht verschont bleiben.
Dennoch hielt Lukas es für ratsam, jetzt den Rückzug anzutreten. Sie hatten zwei Männer verloren – Gerald und David – und mehrere Verletzte. Nun noch einen Kampf mit Albrechts Leibwachen zu beginnen, falls jene zurückkehrten, war aussichtslos.
Raimund ließ Christian ihre Pferde bringen und besprach mit ihm das weitere Vorgehen, sollte etwas Unvorhergesehenes geschehen. Kuno winkte zwei Mägde heran, die den Verletzten die Wunden notdürftig verbanden. Dann luden sie die Toten auf die Pferde und saßen selbst auf.
Lukas wusste, wo Geralds Besitzungen lagen, und wollte dort für ein christliches Begräbnis seines Schwagers sorgen. Peter von Nossen würde das Gleiche für den jungen David übernehmen. Das Gewissen schlug Lukas, als er sich ausmalte, wie Davids junge Frau, die ihr zweites Kind geboren hatte, davon erfuhr.
»Er wusste, worauf er sich einließ«, sagte Raimund leise, der ahnte, was seinem Freund durch den Kopf ging. »Wir alle haben es gewusst und in Kauf genommen. Es hätte jeden Einzelnen von uns treffen können, hätten wir uns selbst bis zu Albrecht durchkämpfen müssen. So ist sein Ruf unbefleckt, und er wird in geweihter Erde begraben.«
»Habe ich ihn nicht gut genug ausgebildet?«, fragte Lukas. »Sonst würde er noch leben.«
»Es hätte jedem von uns passieren können«, wiederholte Raimund hartnäckig. »Wir waren bereit dazu. Du hast ihn so gut erzogen, dass er es gewagt und Freiberg gerettet hat.«
Raimund brachte nun sogar so etwas wie ein Lächeln zustande. »Wie ich vorhin mitbekam, hat sich unser slawischer Freund bei den Nossener Brüdern bereits nach der jungen Witwe erkundigt. Und ein Slawe auf Brautschau soll einen eindrucksvollen Anblick bieten. Womit ich keineswegs bestreite, dass Zbor auch einen eindrucksvollen Anblick bietet, wenn er nicht auf Freiersfüßen wandelt.«
Sie hatten Boris von Zbor ausgeschickt, weil sie unbedingt in Erfahrung bringen mussten, ob Albrecht tatsächlich dem Gift erlag. Der Slawe war als Einziger von ihnen unverletzt. Da es mittlerweile in Strömen zu regnen begonnen hatte, beschlossen sie, in einer Herberge nahe Freiberg zu rasten und auf ihn zu warten.
Thomas nutzte die Zeit, um bei seinen Gefährten die Wunden zu säubern und zu nähen. Zu dem von ihm ausgerufenen Gottesurteil verlor niemand ein Wort. Christians Sohn erweckte nicht den Eindruck, als ob er darüber sprechen wollte. Er war noch wortkarger als sonst und sagte nicht mehr, als die Behandlung der Wunden erforderte.
Es war schon Nacht, als der hünenhafte Slawe von seinem Erkundungsgang zurückkehrte.
»Sie sind nur bis Krummenhennersdorf gekommen, bis zum Gehöft an der Mühle«, berichtete er und schüttelte sich wie ein Hund, um das Regenwasser loszuwerden. Dieses Dorf lag nicht weit von Freiberg nordöstlich Richtung Meißen. »Dort ist er unter furchtbaren Qualen gestorben.«
Also hatte der Alchimist recht, dachte Lukas.
»Er ist tatsächlich tot?«, vergewisserte sich Raimund.
»Endgültig und unter schlimmsten Umständen gestorben«, bekräftigte Boris mit seiner tiefen Stimme. »Selbst den Müllerburschen war es unheimlich angesichts der Schreie und des Gestanks. Albrecht jagte alle hinaus außer Elmar, sogar seine Gemahlin. Er wollte nicht, dass ihn jemand so in seinen letzten Augenblicken sah. In strömendem Regen wartete Sophia mit ihren Hofdamen draußen darauf, dass ihr Mann endlich dahinschied. Bis sich die Müllerin erbarmte und sie in ihre Kate schickte.«
Der Slawe bekreuzigte sich. »Bei alle Heiligen: So ein Ende wünscht Ihr keinem, und schon gar keinem Markgrafen, auch wenn er noch so ein ruchloser Herrscher war. Er starb allein, auf dem nackten Fußboden, von allen seinen Getreuen verlassen und unter furchtbaren Schmerzen. Lautete so
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