Der Traum der Hebamme / Roman
großen Erstaunen, dass schon bald nach dem Tod des Kaisers sogar ihr Oheim Bernhard von Anhalt, der Herzog von Sachsen, zu einer Königskandidatur gedrängt werden sollte. Der Erzbischof von Köln, ein erklärter Feind der Staufer, hatte im Hintergrund bereits erste Arrangements getroffen. Doch da Bernhard von Aschersleben nicht genug Geld dafür aufbringen konnte und vielleicht auch nicht den Mut, wandte sich der Kölner an Richard Löwenherz, der sofort seinen Lieblingsneffen Otto vorschlug, einen der Söhne Heinrichs des Löwen.
Das wiederum beunruhigte jene Fürsten, die nach dem Sturz des Löwen mit dessen Ländereien belehnt worden waren: Bernhard von Aschersleben mit Sachsen und Konrad von Wittelsbach mit Bayern. Vor allem auf ihr Betreiben versammelten sich Anfang März die stauferfreundlichen Fürsten im thüringischen Mühlhausen und wählten Philipp von Schwaben zum König.
»Allerdings ist diese Wahl nicht unanfechtbar«, berichtete Raimund. »Es fehlten die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier, und Mühlhausen ist eben nicht Aachen.«
Es stand zwar nirgends geschrieben, aber es war ein fester Brauch, dass deutsche Könige in Aachen gekrönt wurden.
»Das bot Adolf von Köln Anlass, umgehend den jungen Welfen Otto aus Aquitanien zu holen und für Anfang Juni eine rechtmäßige Königswahl in Aachen anzusetzen«, fuhr Raimund fort. »Allerdings kamen dazu nur ein paar geistliche Fürsten, was Otto sofort den Spottnamen ›Pfaffenkönig‹ eintrug. Dennoch arrangierte Adolf von Köln rasch eine Krönungszeremonie in Aachen, die vor wenigen Wochen stattfand, Mitte Juli, wenn auch nicht mit den Insignien Kaiser Heinrichs, die besitzt Philipp. Der will sich nun auch krönen lassen, allerdings in Mainz. Aachen bleibt ihm versperrt.«
»So haben wir also zwei junge, tatendurstige Könige, und wer diesen Titel zu Recht trägt, ist unvoreingenommen nicht eindeutig zu sagen«, konstatierte Konrad und spießte sich ein weiteres Stück Fleisch auf sein Essmesser. »Das bedeutet, die Waffen entscheiden.«
»Im Rheinland und im Elsass herrscht bereits Krieg«, bestätigte Raimund. »Und jeder der beiden Könige ist natürlich bemüht, so viele Fürsten auf seine Seite zu ziehen, wie er nur kann.«
Daniel bat ums Wort, sichtlich eingeschüchtert von der Runde dieser Männer und dem heiklen Thema. »Ich soll Euch wörtlich von meinem Stiefvater ausrichten: ›Besinnt Euch auf Euern Großvater!‹«, sagte er zu Dietrich, nachdem er tief Luft geholt hatte. Er hoffte, dass niemand ihn danach fragte, was mit dieser ihm rätselhaften Botschaft gemeint war, aber die Anwesenden schienen es allesamt zu wissen.
»Wir haben auch eine Nachricht von Bernhard erhalten, dem geblendeten Reichsministerialen«, berichtete Norbert von Weißenfels. »Er lässt Euch ausrichten, dass Philipp es Euch lohnen wird, wenn Ihr Euch auf seine Seite stellt. Und dass die hiesige Reichsministerialität zu Euch hält, sofern Ihr zu Philipp haltet.«
»Sie sind schließlich von den Staufern eingesetzt worden, also haben sie ein lebhaftes Interesse, dass der Staufer sich gegen den welfischen Rivalen durchsetzt«, knurrte Konrad.
Wenn er es auch nicht zeigte – er war durchaus zufrieden mit dieser Entwicklung. Der Markgraf lehnte sich zurück, streckte das schmerzende Bein aus und gab seinen Beschluss bekannt.
»Ich werde also unverzüglich Philipp aufsuchen und ihm unsere Unterstützung zusichern. Doch nur um diesen Preis: die Mark Meißen für das Haus Wettin. Und du, Vetter, schaffst inzwischen Tatsachen und holst dir dein Land zurück! Wir dürfen nicht warten.«
»Nein, wir haben keine Zeit zu verlieren.«
Dietrich wies auf einen Brief, der auf dem Tisch lag. »Meine Schwester Adela bittet mich um Hilfe. Sie schreibt, ihr Mann prahle damit, dass Philipp ihn vom Herzog von Böhmen zum König der Böhmen machen wolle. Und dann würde Otaker sie verstoßen, denn er meine, als König stehe ihm etwas Besseres als eine Markgrafentochter zu.«
Wütend hieb Konrad mit der Faust auf den Tisch. »Den Kerl nehmen wir uns vor, wenn erst die Mark Meißen unser ist!«
»Wer sagt, dass er nicht sogar Anspruch auf das Land erhebt und es sich im Handstreich erobern will?«, gab Dietrich zu bedenken.
»Du musst schnell sein«, bekräftigte Konrad. »Wahrscheinlich wirst du nicht einmal viel zu kämpfen haben. Die Ministerialen stehen zu dir, deine Getreuen von einst ohnehin, und der Rest wird auf deine Seite wechseln, wenn er sich zwei und zwei
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