Der Traum der Hebamme / Roman
denke. Sagt ihnen, dass ich hier gefunden habe, was ich so lange vergeblich suchte. Das hier ist der richtige Ort, meine Bestimmung … Ich fühlte es schon in dem Augenblick, als ich die Küste gesehen habe.«
»Ich weiß«, sagte Dietrich und verschwieg, dass er zufrieden und erleichtert über diese ungewöhnliche Wendung war, auch wenn er Christians Sohn künftig an seiner Seite vermissen würde. Er hatte miterleben müssen, wie dieser junge Mann alle Illusionen über die Gemeinschaft der Ritter und die Richtigkeit ihres Kreuzzuges verloren hatte, wie er Stück für Stück seine Seele einbüßte. Hier, mit der selbstgestellten Aufgabe, konnte er vielleicht genesen. Wenn seine Frau stark genug war.
»Wollt Ihr mir Eure Braut nicht vorstellen?«, fragte er lächelnd.
So feierten sie ausgelassen Hochzeit im Venezianerviertel. Dietrich schenkte Thomas eines seiner Pferde und dem jungen Paar ein paar Edelsteine – um den Neuanfang zu erleichtern, wie er sagte.
Am nächsten Tag bat Dietrich Hugo von Tiberias, seinen bewährten Ritter in die Wache aufzunehmen. Vielleicht hätte es seiner Fürsprache gar nicht bedurft, denn als Thomas seine Geschicklichkeit mit Schwert und Lanze vor versammelter Mannschaft demonstrieren musste, erntete er anerkennende Blicke.
Am nächsten Tag wollte Dietrich in See stechen.
Thomas und Eschiva kamen zum Hafen, um sich von ihm zu verabschieden.
»Hättet Ihr die Güte, das meiner Mutter zu übergeben?«, fragte Thomas und reichte ihm ein flaches Bündel. »Ein Buch über morgenländische Heilkunst. Notker hat es verfasst und eine Abschrift angefertigt, während wir in Beirut und vor Tibnin lagen. Er meint, er sei überzeugt, es komme in beste Hände. Und Eschiva schickt ihr und Clara einige seltene Sämereien.«
»Das werde ich gern«, versicherte Dietrich.
Es wurde Zeit. Wito rief, die Pferde seien untergebracht, und der Graf müsse nun aufs Schiff gehen, sonst lege der Kapitän ohne ihn ab.
»Gott schütze Euch, Thomas von Christiansdorf«, sagte Dietrich von ganzem Herzen und legte dem langjährigen Kampfgefährten eine Hand auf die Schulter. Sie wussten beide, es war ein Abschied für immer.
»Und Gott schütze Euch bei allem, was Ihr jetzt vorhabt, Fürst von Meißen!«, erwiderte Thomas feierlich.
Kriegsrat in Weißenfels
A uch bei der zweiten Rückkehr Graf Dietrichs aus dem Heiligen Land regnete es. Doch wenigstens war es ein Sommertag, und die winzigen Tropfen erfrischten eher, als dass sie lästig waren.
Diesmal musste er auch nicht wie ein unangekündigter Besucher auf Einlass warten. Norbert von Weißenfels ritt ihm und seiner Gefolgschaft mit einem Ehrengeleit entgegen und hieß sie bereits an der Saalefurt willkommen.
Offenbar wurden sie schon dringend erwartet – auch von einigen Boten und wichtigen Nachrichten, wie Norbert andeutete. Dass Thomas’ Bruder Daniel zu diesem Ehrengeleit gehörte, der doch eigentlich in Freiberg sein sollte, ließ Dietrich auf wichtige Kunde von Lukas hoffen. Der listige Freund konnte in dieser unruhigen Zeit nicht riskieren, die Freiberger Burg zu verlassen.
»Thomas lebt!«, beruhigte Dietrich Daniel und auch Raimund sofort, deren Gesichter vor Sorge erstarrten, als sie den Bruder beziehungsweise Sohn des Freundes nicht unter den Heimkehrern entdeckten. In der kurzen Zeit, die ihnen blieb, bis sie zum Burgtor geritten waren, berichtete der Graf ihnen von Thomas’ Entscheidung und seiner Zuversicht, er würde dort glücklich und bei guter Gesundheit sein.
Obwohl der Graf von Weißenfels nur mit wenigen Männern aufgebrochen war, kehrte er mit einer großen Gruppe Bewaffneter zurück. Sein Cousin Konrad würde mit seinen Männern hier übernachten, bevor er am nächsten Tag weiter nach Landsberg ritt. So hatten sie nicht nur ein Quartier nach der anstrengenden Reise und konnten mit einem guten Mahl rechnen. Dietrich und Konrad wollten auch gemeinsam die Neuigkeiten aus dem Kaiserreich erfahren und danach über ihr Vorgehen entscheiden.
Landgraf Hermann hingegen war mit seinen Männern schon vor ein paar Tagen Richtung Eisenach abgebogen und hatte keinen Zweifel an seinen Absichten gelassen: herauszufinden, welcher der Thronanwärter ihm das beste Angebot machte, und danach zu entscheiden, auf wessen Seite er sich stellen würde.
Im Hof hatten sich das Gesinde und die Wachmannschaft aufgereiht, um den wiedergekehrten Herrn und seinen Vetter Markgraf Konrad zu begrüßen.
Jutta – aufgeregt, vor Freude strahlend
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