Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
Vom Netzwerk:
Einschränkungen, die in Großbritannien herrschten. Roger erinnerte sich an einen heißen Nachmittag in Boma, damals nicht viel mehr als ein Weiler aus ein paar Häusern. Er war zum Schwimmen an den Fluss gegangen, der auf jener Höhe kleine Lagunen und murmelnde Wasserfälle zwischen den Felsen bildete, beschattet von hohen Mangobäumen, Kokosnusspalmen, Baobabs und Riesenfarnen. Zwei junge Bakongos badeten dort, nackt wie er. Sie sprachen kein Englisch, erwiderten seinen Gruß jedoch mit einem Lächeln. Es sah aus, als würden sie nur herumplanschen, doch dann bemerkte Roger, dass sie mit bloßen Händen fischten. Ihr aufgeregtes Gelächter rührte von der Schwierigkeit, die glitschigen Fische festzuhalten. Einer der beiden war sehr schön, hatte einen schlaksigen, dunklen Körper und blitzende Augen. Geschmeidig bewegte er sich im Wasser. Sein muskulöser Oberkörper war von glitzernden Tropfen bedeckt. Er hatte leuchtend weiße Zähne, und sein dunkles Gesicht war mit geometrischen Mustern tätowiert. Als es ihnen endlich gelungen war, einen Fisch zu fangen, stieg der andere Junge aus dem Wasser, um ihn auszunehmen und ein Feuer anzufachen. Der schöne Jüngling sah Roger lächelnd an. Erregt lächelte Roger zurück und schwamm zu ihm. Als er ihn erreichte, wusste ernicht, was er tun sollte. Er verspürte eine leichte Scham und war zugleich grenzenlos glücklich.
    »Wie schade, dass du mich nicht verstehst«, hörte er sich halblaut sagen. »Ich hätte dich gern fotografiert. Mich mit dir unterhalten. Dich zum Freund gehabt.«
    Sie standen so nah beieinander, dass sie sich fast berührten, und plötzlich spürte Roger, dass die Hände des Jungen sich an seinem Bauch herabtasteten, sein erregtes Geschlecht berührten und streichelten. In der Dunkelheit seiner Zelle seufzte er vor Verlangen auf. Ihm war alles wieder ganz gegenwärtig, die Überraschung, die unbeschreibliche Erregung, seine Verstörung, der Körper des Jungen in seinen Armen, das steife Glied an seinen Schenkeln und seinem Bauch.
    Es war sein erster Liebesakt gewesen, wenn man es als Liebe bezeichnen konnte, sich im Wasser an dem Körper eines Knaben zu reiben, der ihn bis zum Höhepunkt brachte und wahrscheinlich auch selber die höchste Lust erreichte, was Roger allerdings nicht bemerkte. Als er aus dem Wasser war und sich anzog, luden die beiden Bakongos ihn ein, den Fisch mit ihnen zu teilen, der über dem kleinen Lagerfeuer briet.
    Wie beschämt er später war. Den restlichen Tag über fühlte er sich benommen, quälte ihn sein Gewissen, unterbrochen von Momenten schieren Glücks, dem Bewusstsein, die Mauern eines Gefängnisses gesprengt und eine Freiheit erlangt zu haben, nach der er sich insgeheim immer gesehnt hatte. Trotzdem hatte er sich voller Reue geschworen, es nie wieder geschehen zu lassen, um seiner Ehre, dem Gedenken seiner Mutter, der Religion willen, wobei ihm ganz klar war, dass er sich damit selbst belog, dass er jetzt, da er die verbotene Frucht gekostet hatte und den Taumel des Verlangens erlebt hatte, nie wieder ganz darauf verzichten können würde. Es war eines der seltenen Male gewesen, dass die Lust ihn nichts gekostet hatte. Aber war es nicht eben das Bezahlen seiner flüchtigen, minuten- oder stundenlangen Geliebten gewesen, das ihn bald von den Schuldgefühlen befreite, die ihn anfangs nach jedem Abenteuer heimgesucht hatten? Gut möglich. Als würde dervereinbarte Handel – du gibst mir deinen Mund, deinen Penis, ich gebe dir meine Zunge, meinen Hintern und ein paar Pfund – in Parks, öffentlichen Bädern, Bahnhöfen, schäbigen Pensionen oder an dunklen Straßenecken mit Männern, die seine Sprache nicht beherrschten und mit denen er sich nur durch Gesten verständigen konnte, die moralische Dimension solchen Tuns ausblenden und das Ganze in ein reines Tauschgeschäft verwandeln, als würde man Eis oder eine Packung Zigaretten kaufen. Es war keine Liebe, sondern Lust. Er hatte gelernt, Lust zu empfinden, aber nicht, zu lieben oder geliebt zu werden. Es hatte besonders intensive Begegnungen in Afrika, Brasilien, Iquitos, London, Belfast oder Dublin gegeben, die sich nicht wie ein bloßes Abenteuer angefühlt hatten und nach denen er sich gesagt hatte: »Ich bin verliebt.« Doch das war immer ein Irrtum gewesen. Nie hatte es angedauert. Nicht einmal mit Eivind Adler Christensen, dem er wohl Zuneigung entgegengebracht hatte, doch eher wie ein Vater oder großer Bruder. Schön unglücklich war er gewesen. Auch in

Weitere Kostenlose Bücher