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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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sich vor allem durch ihre Habgier, Brutalität und Unersättlichkeit aus, ob es sich um Nahrung, Alkohol, Frauen, Tiere, Felle oder Elfenbein handelte, also kurzerhand um alles, was geraubt, gegessen, getrunken, verkauft oder vergewaltigt werden konnte.
    Während auf diese Weise die Ausbeutung der Kongolesen einsetzte, begann der menschenfreundliche Monarch, Unternehmen Konzessionen zu gewähren, im Sinne des Mandats, »den afrikanischen Einheimischen vermittels Handels den Weg in die Zivilisation zu eröffnen«. Manche der Kaufleute starben am Sumpffieber oder an Schlangenbissen oder wurden in ihrer Unkenntnis des Urwalds von Raubtieren zerrissen, ein paar wenige fielen den vergifteten Pfeilen und Lanzen der Einheimischen zum Opfer, die es wagten, sich gegen diese Fremdlinge aufzulehnen, deren Waffen wie Donner hallten und wie Blitze einschlugen und die ihnen erklärten, sie dürften nach den Verträgen, die ihre Oberhäupter unterzeichnet hätten, nicht mehr anbauen, fischen und jagen oder ihre Riten und Bräuche leben, sondern hätten stattdessen als Führer, Träger, Jäger oder Kautschuksammler zu dienen, ohne dafür irgendeinen Ausgleich erwarten zu können. Eine Vielzahl von Konzessionären, Freunde und Günstlinge des belgischen Monarchen, machte in kurzer Zeit ein Vermögen, allen voran Leopold II. selbst.
    Diese Konzessionspolitik führte dazu, dass die Unternehmen sich in konzentrischen Kreisen über den Kongo-Freistaat ausdehnten und dabei immer tiefer in die unermessliche Regiondes mittleren und oberen Kongos und seines Geflechts aus Nebenflüssen vordrangen. Über ihre jeweiligen Gebiete übten die Unternehmen die alleinige Souveränität aus. Dabei konnten sie nicht nur auf den Schutz der Force Publique zählen, sondern auch auf eigene Milizen, an deren Spitze stets irgendein ehemaliger Militär, Gefängniswärter, Sträfling oder Straßenräuber stand, von denen manche ihrer Grausamkeit wegen in ganz Afrika berüchtigt werden sollten. Binnen weniger Jahre wurde der Kongo zum weltweit ersten Lieferanten von Kautschuk.
    All dessen war sich Roger während der acht Jahre von 1884 bis 1892 nicht bewusst, als er im Schweiße seines Angesichts, vom Sumpffieber geplagt, von der afrikanischen Sonne verbrannt und bald übersät mit Stichen, Kratzern und Schürfwunden, seinen Beitrag zum ökonomischen und politischen Werk Leopolds II. leistete. Allerdings bemerkte er durchaus die zunehmende Verbreitung eines der Embleme der Kolonisierung, das bald über weite Gebiete herrschen sollte: die Nilpferdpeitsche, la Chicotte .
    Wer hatte dieses geschmeidige, effiziente Instrument zur Züchtigung, Einschüchterung und Bestrafung von Faulheit, Ungeschick oder Dummheit der ebenholzfarbenen Zweibeiner erfunden? Diese Zweibeiner, die den Erwartungen der Kolonialherren nie gerecht wurden, ob bei der Feldarbeit, der Zwangsabgabe von Maniok ( Kwango ), Antilopen- oder Wildschweinfleisch und anderen Nahrungsmitteln, die nie zufriedenstellend ihre Steuern beglichen, mit denen die öffentlichen Baumaßnahmen der Regierung finanziert werden sollten. Es hieß, ihr Erfinder sei ein mit den ersten Soldaten eingetroffener Hauptmann der Force Publique gewesen, Chicot mit Namen, ein in jeder Hinsicht pragmatischer und einfallsreicher Belgier mit scharfer Beobachtungsgabe, dank deren er rascher als jeder andere erkannte, dass man aus der äußerst harten Haut des Flusspferdes eine robustere und verletzendere Peitsche anfertigen konnte als aus dem Gedärm von Huf- und Raubtieren, einen sehnigen Strang, der schmerzvoller war und tiefereWunden verursachte als jede andere Peitsche, dabei gleichzeitig leicht und wegen des kleinen Holzgriffs gut zu handhaben war, so dass Aufseher, Kasernenverwalter, Wächter, Gefängniswärter und Expeditionsleiter sie am Gürtel oder über die Schulter hängend tragen konnten, ohne ihr Gewicht zu spüren. Allein beim Anblick der Chicotte weiteten sich die Augen der afrikanischen Männer, Frauen und Kinder aus Angst, beim kleinsten Missgeschick könnte die Nilpferdpeitsche mit ihrem unverwechselbaren Pfeifen auf sie niedersausen.
    Einer der Ersten, die eine Konzession im Kongo-Freistaat bekamen, war der Nordamerikaner Henry Shelton Sanford. Er agierte als Vermittler und Lobbyist des belgischen Königs bei der Regierung der Vereinigten Staaten und spielte eine entscheidende Rolle in dessen Strategie, den Großmächten den Kongo abspenstig zu machen. Im Juni 1886 wurde die Sanford Exploring Expedition für den

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