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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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erhoffte Abtretung des Gebiets bereits seit einiger Zeit darin aufhielten, um das Projekt Leopolds II. vorzubereiten. Roger, der nach wie vor älter wirkte, als er war, verunsicherte die Kollegen mit seiner lakonischen Art, seinem ernsten Blick und seinen Ansichten. Wer von ihnen hätte schon etwas auf die »zivilisatorische Mission Europas in Afrika« gegeben, um die sich für den jungen Iren alles drehte? Doch sie schätzten ihn, denn er arbeitetehart und zeigte sich stets willig, anderen eine Schicht oder einen Dienstgang abzunehmen.
    Sein einziges Laster war weiter das Rauchen. Wenn abends im Lager der Alkohol die Zungen löste und die Rede auf das weibliche Geschlecht kam, schien er sich nicht besonders wohl zu fühlen und einen Vorwand zu suchen, sich rasch zurückzuziehen. Er unternahm ausgedehnte Märsche durch den Dschungel und ließ sich auch von den Nilpferden nicht davon abhalten, Flüsse und Lagunen mit energischen Zügen zu durchschwimmen. Eine besondere Vorliebe hegte er für Hunde, und seinen Kameraden blieb jener Tag auf der Expedition von 1884 im Gedächtnis, an dem ein Wildschwein seine Hauer in Rogers Foxterrier Spindler schlug und Roger beim Anblick des mit aufgerissener Flanke verblutenden Tiers völlig außer sich geriet.
    Im Unterschied zu den übrigen europäischen Expeditionsteilnehmern war ihm Geld nicht wichtig. Er war nicht nach Afrika gekommen, um reich zu werden, sondern aus einem so unbegreiflichen Grund wie dem Wunsch, den Wilden den Fortschritt zu bringen. Sein Jahresgehalt betrug achtzig Pfund, wovon er freigiebig seine Kollegen einlud. Seine eigenen Bedürfnisse waren gering, allerdings achtete er sehr auf ein gepflegtes Äußeres, und für die gemeinsamen Mahlzeiten wusch, kämmte und kleidete er sich, als befände er sich nicht auf einer Urwaldlichtung oder an einem Flussufer, sondern in London, Liverpool oder Dublin. Sprachen lernte er ohne größere Mühe; er sprach Französisch und Portugiesisch, und binnen weniger Tage eignete er sich zumindest einige Wörter aus dem afrikanischen Dialekt des Dorfes an, in dessen Nähe sie jeweils ihr Lager aufgeschlagen hatten. Unentwegt notierte er seine Beobachtungen in Schulhefte. Irgendjemand fand heraus, dass er auch Gedichte schrieb, was allgemeine Belustigung hervorrief. Das beschämte ihn so sehr, dass er es stammelnd leugnete. Einmal gestand er, dass ihn sein Vater als Kind mit dem Riemen geschlagen habe, weshalb er nicht ertrage, dass die Aufseher die Eingeborenen auspeitschten, wenn sieeine Last fallen ließen oder einen Befehl nicht ausführten. Sein Blick war etwas verträumt.
    Roger erinnerte sich mit widerstreitenden Gefühlen an Stanley, während er sich langsam von seinem dritten Malariaanfall erholte. Dem walisischen Abenteurer hatte Afrika nur einen Vorwand für eigene Ruhmestaten und persönliche Bereicherung geboten. Andererseits konnte man ihm nicht absprechen, dass er sich kühn und furchtlos wie eine Sagengestalt über die Grenzen des Menschlichen hinweggesetzt hatte. Roger hatte gesehen, wie Stanley Kinder, deren Körper und Gesichter von den Pocken entstellt waren, in den Arm genommen, aus seiner Wasserflasche Einheimischen, die an Cholera oder der Schlafkrankheit erkrankt waren, zu trinken gegeben hatte, als wäre er immun gegen jegliche Ansteckung. Wer war dieser Held des Empire und Vollstrecker der Ambitionen Leopolds II. wirklich? Roger nahm an, dass dieses Rätsel niemals gelüftet werden und Henry Morton Stanleys wahre Geschichte für immer in einem Gespinst aus Legenden verborgen bleiben würde. Wie er wohl tatsächlich heißen mochte? Denn der Name Henry Morton Stanley stammte von einem Baumwollhändler aus New Orleans, der sich dem damals Jugendlichen gegenüber großzügig gezeigt und ihn möglicherweise adoptiert hatte. Man munkelte, sein eigentlicher Name laute John Rowlands, doch Genaueres wusste niemand. Ebenso wenig über seine Kindheit in einem walisischen Waisenhaus, wo die Kinder ohne Vater und Mutter unterkamen, die von Amtsdienern von der Straße aufgelesen wurden. Offenbar war er sehr jung auf einem Frachtschiff in die Vereinigten Staaten gelangt, wo er im Bürgerkrieg erst für die Südstaaten, dann für die Nordstaaten gekämpft hatte. In der Folge war er wohl, so viel war noch bekannt, Journalist geworden und hatte Zeitungsberichte über das Vordringen der Pioniere in den nordamerikanischen Westen und ihre Kämpfe gegen die Indianer geschrieben. Zu dem Zeitpunkt, als der New York Herald ihn

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