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Der Traum des Satyrs

Der Traum des Satyrs

Titel: Der Traum des Satyrs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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Durch das Rasseln der Ketten, das misstönende Stimmengewirr seiner Angreifer und gedämpft durch das Netz blieben Dominics Worte an sie zweifellos ungehört. In wenigen Minuten war er gefesselt.
    Er wurde nach draußen gebracht und auf die marmornen Stufen vor dem Tempel geworfen, so dass er hilflos hinunterpolterte. Er landete am Fuß der Treppe und kämpfte sich aus dem Stoff frei, der ihn umhüllte. Über ihm machte der Anführer der Dämonen Anstalten, die undurchdringlichen Bronzetore zu versiegeln.
    »Warte! Nein!« Dominic stampfte die ersten paar Stufen hinauf und stolperte über die Ketten, die noch immer an seinen Handfesseln hingen.
    »Du darfst gehen und das Amulett holen. Aber die anderen beiden bleiben hier«, erklärte Kurr gelassen. »Solltest du versuchen, sie zu befreien, wird die Mutter sterben. Du hast eine Woche Zeit, um mit dem Amulett zurückzukehren.«
    Damit schlossen sich die riesigen Bronzetüren mit Getöse und sperrten ihn aus.
    All seine Instinkte drängten ihn, den Tempel zu stürmen und zu versuchen, Emma und Rose zu befreien. Doch gegen so viele Gegner war ein Kampf aussichtslos.
    Und weil er keine Ahnung hatte, wo das Amulett war, schien es so, als würde Emma in einer Woche sterben, entweder durch die Hand der Dämonen oder durch die Atmosphäre dieser Welt, die sie langsam vergiftete.
    Noch nie zuvor in seinem Leben hatte Dominic sich so hilflos gefühlt. Das war es also, was die Liebe mit ihm gemacht hatte. Sie hatte ihn geschwächt. Und ihm einen Grund geliefert, zu leben.
    Da beschloss er, alles darauf zu setzen, dass das, was der Bewahrer ihm gesagt hatte, der Wahrheit entsprach. Er nahm die Ketten auf und schlang sie sich um die Arme, damit sie nicht über den Boden schleiften. Dabei betete er, dass seine Entscheidung richtig sein möge.
    Dann drehte er sich um und stürmte los zum Portal.

25
    E ine Stunde später saß Emma auf der Pritsche mit Rose an ihrer Brust und wartete. Sie verging vor Sorge darüber, was sie wohl mit Dominic gemacht hatten und was mit ihrem Kind geschehen würde, wenn sie starb. Sie musste fliehen – nach Hause kommen und Hilfe holen.
    Unsicher holte sie Luft. Der Atem rasselte in ihrer Brust, und sie zwang sich, nicht zu husten. Die Nacht war hereingebrochen, und die meisten Dämonen hatten den Tempel verlassen, vermutlich um sich zu nähren. An der Zellentür stand nur ein Wachposten, und dieser beäugte die Anderwelt-Dienstbotin, die geschickt worden war, um sich um Emma und Rose zu kümmern, als hätte er vor, sie zu seiner Mahlzeit zu machen, sobald sie ihre Aufgaben erledigt hatte.
    »In welcher Richtung liegt das Tor?«, flüsterte Emma, als die Dienerin näher kam.
    »Nach Westen, Signora, aber die Magie, die von ihm aus gen Himmel steigt, kann man von jeder Entfernung aus sehen. Wir halten unser Tor nicht verborgen, so wie Ihr in Eurer Welt«, antwortete sie gedämpft in gebrochenem Italienisch. Ihr verängstigter Blick richtete sich auf den Dämon. »Ihr hättet dort bleiben sollen. Hier werdet Ihr schon bald sterben. So wie wir alle.«
    Der Dämon wurde ungeduldig und kam knurrend näher. Nachdem er Emmas Fesseln überprüft hatte, führte er die Dienerin aus der Zelle. Als sie weg waren, öffnete Emma die Faust in ihrem Schoß und starrte auf den Gegenstand, den sie von einem der Armbänder Kurrs gestohlen hatte.
    Einen Schlüssel.
    Eingewickelt in ihr Taschentuch.
    Das Stück Leinentuch war einst weiß gewesen und offenbar mehrmals gewaschen worden, doch nun war es fadenscheinig und schmutzig. Als Dominic aus dem Raum gezerrt worden war, hatte sie seine Handgelenke festgehalten und dabei unabsichtlich das Tuch aus seinem Handschuh gezogen.
    Mit der Fingerkuppe fuhr sie ihre eingestickten Initialen nach. Vor vier Wochen hatte er es heimlich mitgenommen – als Andenken. Denn genau so etwas musste es sein. Und in all der Zeit hatte er es bei sich getragen, als ob er versucht hätte, ihr damit nahe zu sein.
    Dieses süße, kostbare Wissen verlieh ihr Kraft, als sie sie am dringendsten brauchte, denn nun war alles still im Tempel. Es war Zeit.
    Sie packte das Tuch in ihre Tasche und steckte den Schlüssel nacheinander in beide Handfesseln. Diese öffneten sich mit einem gedämpften rostigen Quietschen, und Emma schüttelte sich ab. Diese Welt machte sie zwar krank, doch zugleich schien sich die winzige Menge an Magie, die sie besaß, zu einem halbwegs nützlichen Talent verstärkt zu haben. Damit konnte sie bestimmte Gegenstände

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