Der Traum des Wolfs
jung.
Diese Augen sahen nicht jung aus. Min verspürte einen Augenblick der Panik, als er ihren Blick erwiderte. War das derselbe Mann? War der Rand, den sie liebte, gestohlen und durch die uralte Naturgewalt eines Mannes ersetzt worden, den sie niemals kennen oder verstehen würde? Hatte sie ihn doch verloren?
Und dann lächelte er, und es waren seine Augen, so unergründlich sie auch geworden waren. Auf dieses Lächeln hatte sie eine sehr lange Zeit warten müssen. Es war jetzt bedeutend selbstbewusster als jenes, das er ihr während ihrer Anfangszeit gezeigt hatte, aber es war noch immer verletzlich. Es ließ sie einen Teil von ihm sehen, der anderen immer verwehrt blieb.
Dieser Teil war der junge Mann, der irgendwie noch immer unschuldig war. Sie rannte zu ihm und riss ihn in eine Umarmung. »Du wollköpfiger Narr! Drei Tage? Was hast du drei Tage lang gemacht?«
»Existiert, Min«, antwortete er und legte die Arme fest um sie.
»Ich wusste nicht, dass das eine so schwierige Aufgabe ist.«
»Manchmal war es das für mich.« Er schwieg, und sie war zufrieden, ihn zu halten. Ja, das war derselbe Mann. Er hatte sich verändert, und zwar zum Besseren, aber er war noch immer Rand. Sie klammerte sich an ihn. Ihr war egal, dass sich Leute um sie herum versammelten, immer mehr. Sollten sie doch zusehen.
Schließlich atmete sie aus und löste sich zögernd von ihm. »Rand, Alanna ist weg. Sie ist heute verschwunden.«
»Ja. Ich habe gefühlt, wie sie ging. Irgendwo nach Norden. In die Grenzlande, vielleicht Arafel.«
»Man könnte sie gegen dich benutzen, um herauszufinden, wo du bist.«
Er lächelte. Beim Licht, es fühlte sich so gut an, diesen Ausdruck auf seinem Gesicht zu sehen! »Der Schatten braucht sie nicht, um mich zu finden, nie wieder. Seine sämtlichen Augen sind direkt auf mich gerichtet, und das wird so sein, bis ich sie blende.«
»Was? Aber Rand …«
»Es ist in Ordnung, Min. Die Zeit ist vorbei, in der er mich verstohlen zum Schweigen bringen und darum siegen konnte. Die Konfrontation ist gesichert, und der Schrei, der die Lawine auslöst, ist getan.«
Das Leben in ihm schien zu lodern. Der davon ausgehende Schauer war berauschend. Er ließ einen Arm um sie gelegt - der Arm, der als Stumpf endete -, als er sich den Aiel zuwandte. »Ich habe Toh.« Obwohl der Hof hinter ihnen in Aufruhr war, standen die Aiel stumm da.
Sie waren dafür bereit, dachte Min. Die Aiel waren nicht unbedingt feindselig, aber sie teilten nicht die Aufregung der Verteidiger. Die Tairener glaubten, dass Rand zurückgekehrt war, um sie in die Letzte Schlacht zu führen.
»In der Wüste«, sagte Rhuarc und trat vor, »gibt es ein Tier. Das Meegerling. Es hat große Ähnlichkeit mit einer Ratte, ist aber weitaus dümmer. Wenn man es neben Korn absetzt, läuft es direkt darauf zu, ohne an die Gefahr zu denken. Ganz egal, wie oft es in einen Graben fällt, der sich zwischen ihm und der Nahrung befindet, es wird immer wieder das Gleiche tun, wenn man es zurück an den Anfang setzt. Aielkinder amüsieren sich mit diesem Spiel.« Er musterte Rand. »Ich hätte Euch nicht für einen Meegerling gehalten, Rand al’Thor.«
»Ich verspreche, euch nie wieder zu verlassen«, sagte Rand. »Nicht aus eigenem Willen und nicht ohne die Töchter vorher zu informieren und sie, falls sie einverstanden sind, als Leibwächter mitzunehmen.«
Die Aiel rührten sich nicht. »Das wird verhindern, dass Ihr noch mehr Toh erringt«, sagte Rhuarc. »Es ändert nichts an dem, was war. Und Versprechen gab es schon zuvor.«
»Das stimmt«, sagte Rand und erwiderte Rhuarcs Blick. »Dann erfülle ich mein Toh.«.
Zwischen ihnen fand ein Austausch statt, etwas, das Min nicht verstand, und die Aiel erschienen entspannter und gaben den Weg frei. Zwanzig Töchter traten vor, um sich als Wache um Rand zu scharen. Rhuarc zog sich mit den anderen zurück und gesellte sich zu einer kleinen Gruppe Weiser Frauen, die von der Seite aus zusahen.
»Rand?«, fragte Min.
»Das geht schon in Ordnung«, sagte er, obwohl seine Gefühle einen düsteren Unterton hatten. »Das war eines der Dinge, die ich regeln musste. Eines von vielen.« Er ließ sie los und betrachtete den Hof, erschien zögernd, als hielte er nach jemandem Ausschau. Was auch immer es war, er sah es nicht, also ging er auf König Darlin zu, der gerade in aller Hast eingetroffen war.
König Darlin verbeugte sich, die Hand auf dem Knauf seines schmalen Schwertes. »Mein Lord Drache. Marschieren
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