Der Traum des Wolfs
Wüsstest du, welche Richtung du einschlagen müsstest, könnte der Große Saal nur Minuten weit entfernt sein. Aber du wirst ihn verfehlen.«
Mat starrte in seinen Becher und wünschte sich vermutlich, etwas Stärkeres bestellt zu haben.
»Überlegst du es dir anders?«, wollte sie wissen.
»Nein«, sagte er. »Aber wenn wir da wieder raus sind, dann sollte Moiraine besser verdammt dankbar sein. Zwei Monate?« Er runzelte die Stirn. »Moment mal. Wenn ihr beide dort gestorben seid, wie ist die Geschichte dann bekannt geworden?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Das habe ich nie herausgefunden. Vielleicht hat eine der Aes Sedai ihre Fragen benutzt, um sich danach zu erkundigen. Es war allgemein bekannt, dass ich den Turm betreten hatte. Damals nannte man mich Jethari Mondtänzer. Bist du sicher, dass du die Geschichte nie gehört hast?«
Er nickte wieder.
Sie seufzte. Nun, nicht jede ihrer Geschichten konnte für alle Ewigkeit bestehen, aber sie hätte gedacht, dass gerade die ein paar Generationen länger in Umlauf geblieben wäre.
Sie hob den Becher, um den letzten Schluck Milch zu trinken. Der Becher schaffte es nie bis zu ihren Lippen. Sie erstarrte, als sie Elaynes Gefühle wie ein Blitzschlag trafen. Zorn, Wut, Schmerz.
Birgitte knallte den Becher auf den Tisch, warf drei Münzen hin und stand fluchend auf. »Was?« Mat sprang auf.
»Elayne. In Schwierigkeiten. Schon wieder. Sie ist verletzt. «
»Verdammte Asche«, knurrte Mat und schnappte sich Mantel und Stab, als sie zum Ausgang rannten.
KAPITEL 23
Fuchsköpfe
E layne drehte das seltsame Medaillon in den Fingern und strich über den Fuchskopf auf der Vorderseite. Wie bei vielen Ter’angrealen konnte man nicht genau sagen, aus was für einem Metall es ursprünglich erschaffen worden war. Ihr Talent ließ sie Silber vermuten. Aber das Medaillon bestand nicht mehr aus Silber. Es war etwas anderes, etwas Neues.
Die Liedherrin der Theatertruppe des Glücklichen Mannes machte mit ihrem Lied weiter. Es war wunderschön, rein und hoch. Elayne saß auf einem gepolsterten Stuhl auf der rechten Seite des Saals, wo man für die Darsteller ein Podest aufgebaut hatte. Hinter ihr standen zwei von Birgittes Gardesoldatinnen.
Der Raum war dunkel und wurde lediglich von einer Reihe kleiner flackernder Lampen erhellt, die in Alkoven in den Wänden hinter blauem Glas standen. Das Blaulicht wurde von den brennenden gelben Laternen überstrahlt, die vor der Plattform aufgebaut waren.
Elaynes Gedanken schweiften ab. Sie hatte die Ballade »Der Tod der Prinzessin Walishen« oft gehört und verstand eigentlich nicht, warum man Worte und verschiedene Darsteller hinzufügen sollte, statt das ganze Ding von einem Barden vortragen zu lassen. Aber es war Elloriens Lieblingsballade, und die begeisterten Kommentare aus Cairhien über diese Schauspieler - die die dortigen Adligen erst kürzlich entdeckt hatten - waren bei vielen Adligen Andors das Gesprächsthema.
Darum dieser Abend. Ellorien war ihrer Einladung gefolgt;
vermutlich war sie interessiert. Warum war die Königin so kühn gewesen, sie einzuladen? Bald würde sie sich den Vorteil von Elloriens Anwesenheit zunutze machen. Aber noch nicht. Sollte die Frau zuerst die Aufführung genießen. Sie würde einen politischen Überfall erwarten. Sie würde darauf warten, dass sie sich neben sie setzte oder einen Diener mit einem Angebot schickte.
Elayne tat nichts dergleichen, sondern saß einfach da und betrachtete das Fuchskopf-Ter’angreaL Obwohl nur ein massives Stück Metall, stellte es dennoch ein kompliziertes Kunstwerk dar. Sie konnte die Gewebe fühlen, die man für seine Konstruktion benutzt hatte. Seine Feinheiten gingen weit über die Gradlinigkeit der in sich verdrehten Traumringe hinaus.
Irgendetwas machte sie falsch bei dem Versuch, das Medaillon zu reproduzieren. Einen der gescheiterten Versuche trug sie in der Gürteltasche. Sie hatte sich Kopien anfertigen lassen, die so genau waren, wie es den Silberschmieden möglich gewesen war, auch wenn sie vermutete, dass die Form selbst keine Rolle spielte. Aus irgendeinem Grund schien es um die Menge des verarbeiteten Silbers zu gehen, aber nicht um die Form, zu der man es verarbeitete.
Sie war nahe dran. Die Kopie in ihrer Tasche funktionierte nicht perfekt. Zwar glitten einfache Gewebe am Träger ab, aber die wirklich mächtigen konnten aus irgendeinem Grund nicht abgelenkt werden. Viel problematischer jedoch war, dass die Berührung der Kopie das
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