Der Traum des Wolfs
sagte die schlanke Gardistin und runzelte die Stirn. »Allerdings verderben die Schuhe das Bild.«
Elayne schaute nach unten und fluchte, als sie die pinkfarbene Seide erblickte. Sie webte wieder und ließ Füße und Schuhe verschwinden. Das Gewebe würde den Eindruck erwecken, als schwebte sie in pulsierende Dunkelheit gehüllt in der Luft. Der aufgebauschte Umhang flatterte hinter ihr. Ihr Gesicht war völlig in Dunkelheit getaucht. Als Zugabe erschuf sie zwei leuchtende rote Punkte auf Augenhöhe. Wie zwei brennende Holzscheite, die ein tiefrotes Licht ausstrahlten.
»Das Licht stehe uns bei«, flüsterte eine der Frauen.
Elayne nickte, und ihr Herz schlug vor Aufregung schneller. Sie machte sich keine Sorgen. Sie war sicher. Mins Sicht hatte das versprochen. Noch einmal ging sie ihren Plan durch. Er war solide. Aber man konnte ihn nur auf eine Weise in die Tat umsetzen.
Sie drehte die Gewebe um und verknotete sie. Dann wandte sie sich den Gardistinnen zu. »Macht das Licht aus und verhaltet euch ruhig«, sagte sie zu ihnen. »Ich bin bald wieder da.«
»Aber …«, sagte Kaila.
»Das ist ein Befehl, Gardistin«, sagte sie energisch. »Ihr solltet ihn lieber befolgen.«
Die Frau zögerte. Vermutlich wusste sie ganz genau, dass Birgitte das niemals zugelassen hätte. Aber glücklicherweise war Kaila nicht Birgitte. Zögernd gab sie den Befehl, und im Raum wurden die Lichter gelöscht.
Elayne griff in die Tasche und holte das echte Fuchskopf-Medaillon hervor, verbarg es in der Hand. Dann holte sie tief Luft und erschuf ein Wegetor. Im dunklen Raum gleißte der Strich aus Licht und tauchte sie in einen bleichen Schimmer, der an Mondlicht erinnerte. Er öffnete sich in einen Raum mit vergleichbarer Dunkelheit.
Elayne trat hindurch und fand sich im Palastkerker wieder, in einer der Zellen. Auf der anderen Seite kniete eine Frau neben der stabilen Tür, die durch ein Gitterfenster das einzige Licht in den feuchten Raum einließ. Rechts gab es eine kleine Pritsche, links stand ein Eimer, der als Nachttopf diente. Der kleine Raum stank nach Moder und menschlichen Exkrementen, und ganz in der Nähe konnte Elayne das Scharren von Ratten hören. Für die Frau vor ihr schien die Unterbringung immer noch viel zu üppig zu sein.
Sie hatte Chesmal absichtlich ausgesucht. Die Frau schien eine gewisse Autorität unter den Schwarzen zu haben, und sie war mächtig genug, dass sich die meisten anderen vor ihr verneigten. Aber sie war bei ihrer letzten Begegnung auch eher leidenschaftlich als logisch erschienen. Das würde wichtig sein.
Die hochgewachsene, hübsche Frau fuhr herum, als ihre Besucherin die Zelle betrat. Elayne hielt den Atem an. Glücklicherweise funktionierte die Täuschung. Chesmal warf sich auf den strohbedeckten Boden.
»Erhabener«, zischte die Frau. »Ich hatte …«
»Schweig!«, rief Elayne mit donnernder Stimme.
Chesmal zuckte zusammen und blickte zur Seite, als wartete sie darauf, dass die Wächter draußen einen Blick in die Zelle warfen. Dort würden Kusinen sein, die Chesmals Abschirmung aufrechterhielten; Elayne fühlte sie. Trotz des Lärms kam keiner. Die Kusinen befolgten Elaynes Befehle, so seltsam sie auch sein mochten.
»Du bist weniger wert als eine Ratte«, sagte Elayne mit ihrer vorgetäuschten Stimme. »Man hat dich hergeschickt, um den Ruhm des Großen Herrn zu mehren, und was hast du getan? Zugelassen, dass dich diese Narren gefangen nehmen, diese Kinder?«
Chesmal wimmerte und machte sich noch kleiner. »Ich bin Dreck, Erhabener. Ich bin nichts! Wir haben Euch enttäuscht. Bitte, vernichtet mich nicht!«
»Und warum nicht?«, bellte Elayne. »Deine Gruppe hat immer wieder nur versagt! Was hast du erreicht, das mich vielleicht davon überzeugt, dir dein Leben zu lassen?«
»Wir haben viele dieser Narren getötet, die gegen den Großen Herrn arbeiten!«, wimmerte Chesmal.
Elayne zuckte zusammen, stählte sich, erschuf aus Luft eine Peitsche und prügelte auf den Rücken der Frau ein. Chesmal hatte noch ganz anderes verdient. »Du hattest nichts mit ihrem Tod zu tun! Hältst du mich für dumm? Glaubst du, ich wüsste nicht Bescheid!«
»Nein, Erhabener«, jammerte Chesmal und krümmte sich noch mehr zusammen. »Bitte!«
»Dann gib mir einen Grund, dich am Leben zu lassen!«
»Ich habe Informationen, Erhabener«, sagte Chesmal schnell. »Einer von denen, die wir suchen sollten, die beiden Männer, die um jeden Preis getötet werden müssen … einer von ihnen ist hier, in
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