Der Traummann aus der Zukunft (German Edition)
Emilia lag quer auf dem gemachten Bett. Das Buch auf dem Boden. Sie hatte den ganzen Nachmittag verpennt.
Ein drittes Mal Klingeln. Emilia stolperte benommen in den Flur. Warum war sie eigentlich immer für Besucher an der Wohnungstür zuständig? Jo hörte nie die Klingel, weil der Kopfhörer seines PCs an seinen Ohren festgewachsen zu sein schien, wenn er zuhause war. Und Bernhard betrachtete die Wohnungstür und alles, was damit zu tun hatte, definitiv nicht als seinen Wirkungsbereich, obwohl es meistens seine Recherchebücher waren, die Emilia fast täglich von diversen Versandunternehmen in Empfang nehmen musste.
Doch dafür war es jetzt zu spät. Wer konnte das sein? Emilia spähte durch den Spion und sah Hilda, die gerade aufgeben wollte und sich zum Gehen umwandte. Sie riss die Tür auf: „Hilda!“
Emilia und Hilda umarmten sich, als hätten sie sich monatelang nicht gesehen.
„Tut mir leid“, sagte Hilda.
„Quatsch“. Emilia löste sich aus der Umarmung und musterte ihre Freundin, neben der sie sich immer klein und zerbrechlich vorkam. Sie hatte sich herausgeputzt mit einem knallgrünen Kleid und knallroten Lippenstift, die braunen, langen Haare hochgesteckt mit Haarnadeln.
„Du siehst super aus!“
„Du meinst, mal nicht wie ne Mami, die sich durch Berge von Kleinkind-Wäsche wäscht?“ Hilda lachte.
„Quatsch“, sagte Emilia schon wieder, als gäbe es keine anderen Worte auf der Welt.
„Ich dachte, diese herrlichen lauen Abende hat man nicht oft in unseren Breitengraden. Man sollte sie nutzen, statt in der Bude zu hocken. Also, ich war nicht sicher, ob ihr schon zurück seid von Euerm Ausflug…“, erklärte Hilda.
Emilia prustete verächtlich.
„Unser Ausflug hat nicht länger gedauert als ein Zahnarzt-Termin.“
„Oh man…“ Hilda schüttelte bedauernd den Kopf.
„Na, dann hoffe ich, du hast dadurch umso mehr Lust auf ne Runde durch die Stadt ziehen – so wie früher, als es noch keine Männer in unserem Leben gab. Regel des Abends: Problem-Themen werden ausnahmslos zuhause gelassen!“
Im ersten Moment war Emilia überhaupt nicht nach Rausgehen. Doch jetzt erinnerte sie sich an die vielen, schönen Abende, die sie mit Hilda schon bei etlichen Gläsern Wein verbracht hatte, als sie versuchten, sich die ganz große Liebe vorzustellen und ihre Zukunft in schillernden Farben ausmalten.
„Wein und Cocktails so viel man will?“
„Logo.“
„Klingt ziemlich verlockend, aber komm doch erst mal rein.“
Emilia fühlte sich wieder munter. Hilda war dabei, sie vor einer Abenddepression zu retten, die sie immer bekam, wenn sie am Nachmittag zu lange schlief. Sie schlüpfte schnell in ein knielanges Kleid mit bunten Blümchen, knetete Wasser in ihre Locken, damit sie ein bisschen wilder aussahen und räumte einen 50 Euroschein aus der Haushaltskasse in ihr Portmonee. Jo nickte nur unter seinen Kopfhörern, als sie sich von ihm verabschiedete. Bernhard stellte sofort den Fernseher aus, als Emilia hereinkam.
„Du gehst noch weg?“
„Ja, ein Stündchen in den Biergarten. Es ist so ein herrlicher Sommerabend.“
„Bist du seit neuestem mein persönlicher Wetterbericht?“
Hilda drängte sich in den Türrahmen.
„Hi Bernhard, was ist dir denn über die Leber gelaufen?“
Bernhard nickte Hilda zur Begrüßung zu und wandte sich wieder an Emilia:
„Hat Jo denn schon Abendbrot gegessen?“
Das war eine ziemlich verdrehte Frage, die implizierte, warum Emilia IHM heute kein Abendbrot machte.
„Das kannst du ihn ja selber fragen.“
Wozu weiter nett sein? Er war schließlich auch nicht dazu zu bewegen. Bernhard wollte etwas antworten, doch Emilia beeilte sich
„Also, mach’s gut“, zu sagen, schloss seine Tür und weg waren sie.
Der Sommer hüllte die Stadt ein, machte sie weich und angenehm. Alles strahlte Wärme ab, die Häuserwände, die Gehwege, der Asphalt.
Emilia war froh, Hilda so schnell wiederzuhaben. Jeder Ärger war verflogen. Und Hilda hatte, wie so oft, einfach das Richtige getan.
Sie schlenderten durch das alte Berlin, am deutschen Dom vorbei, über die Friedrichsbrücke, auf der jemand mit seiner einsamen Trompete für romantische Stimmung sorgte. Sie tranken auf den Bänken vor der Alten Nationalgalerie ein Bier, bevor der Ausschank für die letzten Besucher schloss, die sich noch eine Weile auf der Wiese zwischen den Säulengängen entspannten. Dann liefen sie ein Stück neben der Spree, vorbei am Pergamonmuseum und über die Brücke hinter
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