Der Traummann aus der Zukunft (German Edition)
Kopf größer als Emilia. Aber auch, wenn er kleiner gewesen wäre, er hätte Emilia trotzdem von oben herab angesehen. Bernhard sah blass aus und hatte Augenränder. Er war seit drei Tagen nicht vor die Tür gegangen. Bernhard studierte seit zehn Jahren Soziologie, arbeitete an irgendwelchen statistischen Erhebungen und kompensierte seinen fehlenden Abschluss mit ausführlichen Artikeln zu soziologischen Themen. Sicher hatte er sich wieder in die Beschreibung eines komplizierten Sachverhalts bei Wikipedia verbissen. Emilia beschloss, auf Bernhards Gemecker nicht einzugehen.
„Wir könnten vielleicht in den Biergarten…“
Bernhard kramte die Wurst unter dem Salat hervor und legte sie auf den Tisch.
„Ich mag Biergärten nicht.“
„Seit wann denn das? Wir waren doch voriges Jahr öfter…“
„Voriges Jahr war voriges Jahr…“
Er nahm sich ein Holzbrett, ordnete ein Brotmesser im rechten Winkel dazu, und holte Brot aus dem Brotkasten.
„Naja, dann eben woanders hin, zum Italiener.“
Bernhard schnitt sich eine Scheibe Brot ab, öffnete den Butterdeckel, und verzog das Gesicht. Wortlos hielt er Emilia die Butter hin.
„Angeschmolzen!“
„Es ist ja auch eine furchtbare Hitze heut…“
„Die muss in den Kühlschrank!“
„Letztens hast du Jo angefahren, dass Butter grundsätzlich nicht in den Kühlschrank gehört.“
„Kein Mensch würde sowas bei über dreißig Grad im Schatten behaupten! Ganz abgesehen davon, dass dein Sohn sowieso noch nie auf mich gehört hat.“
Bernhard verdrehte die Augen. Er bestrich sein Brot gleichmäßig mit Butter, bis das Messer wieder blitzblank war, legte fünf Scheiben Salami darauf, und schnitt alle überstehenden Enden ab. Bei einem Salamibrot-Wettbewerb hätte er sicher den ersten Preis gemacht.
Dann fing er an zu kauen und sah Emilia einfach nur an.
Es war klar, was er damit sagen wollte: Schau her, ich gehe heut nirgendwo mehr hin, ich esse bereits. Ich bin gleich satt!
Doch Emilia war einfach nicht danach, sich zu streiten. Weder über die Erziehung von Jonathan, den sie mit in die Beziehung gebracht hatte, als er noch klein war, noch über die Ideal-Temperatur für Butter.
„Dann lass uns ins Freiluftkino gehen. Da läuft heute Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins .“
„Ehrlich gesagt, dazu muss ich mir keinen Film ansehen … Außerdem, wenn du mir genauer zuhören würdest, Milan Kundera ...“
„… ist nicht so dein Ding, ich weiß.“
„Gut.“
Bernhard atmete tief durch, als hätte er einem begriffsstutzigen Kleinkind mit viel Mühe einen AHA-Effekt abgerungen. Er öffnete noch einmal den Kühlschrank und nahm sich ein Bier heraus. Dann machte er sich auf den Weg in sein Zimmer.
Emilia warf den feuchten Lappen, den sie die ganze Zeit geknüllt hatte, in das Abwaschbecken, auch wenn sie sofort Bernhards Mahnung im Kopf hörte, ihn ordentlich zum Trocknen aufzuhängen.
Sie wollte, dass diese Stimmung verging, die trotz des herrlichen Sommertages in ihrer Wohnung wie ein winterlicher Nebel über allem hing. Leider wusste Emilia nur zu gut, dass es gegen Bernhards Gereiztheit nur ein wirksames Mittel gab: Sex.
Bernhard stand unter Druck. Nach drei Tagen Abstinenz stand er immer unter Druck. Das hatte er ihr schon tausend Mal erklärt. Sie hatte ihm seit fünf Tagen den Zugriff verweigert. Nach vier Tagen begann er dann, diese Launen zu kriegen. Bernhard fand alle zwei bis drei Tage Sex normal. Emilia war demnach unnormal, weil Sie dieses Bedürfnis nicht hatte. In den letzten Monaten war es sogar noch geschrumpft. Emilia hatte überhaupt keine Lust mehr. Sie versuchte, es pragmatisch zu sehen: Sie waren seit zehn Jahren zusammen. Bernhard verdiente einigermaßen als freier Mitarbeiter für statistische Erhebungen und besaß ein dickes finanzielles Polster durch das Erbe seines verstorbenen Vaters. Und Emilia war froh, dass sie sich nicht mehr mit dem Arbeitsamt auseinandersetzen musste, nachdem sie als Dekorateurin arbeitslos geworden war. Also, was war so schwer daran, ihm dreimal die Woche einen Liebesdienst zu erweisen?! Zumal Bernhard danach garantiert mindestens zwei Tage gut drauf war, sie interessante Gespräche führen konnten, und bestimmt einen Ausflug ins Umland unternahmen.
Aber, es war schwer! Sehr schwer sogar. Und Bernhard merkte das natürlich. Wenn er sich nicht über die Häufigkeit beschwerte, dann über die Qualität. Emilia war zu passiv, wirke, als ließe sie es über sich ergehen, und als wäre sie
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