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Der Trotzkopf

Der Trotzkopf

Titel: Der Trotzkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmy von Rhoden
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vernommen. Ilse war es heiß und kalt dabei geworden und sie hatte sich wie eine arme Sünderin ertappt und beschämt gefühlt. Nellie dagegen lachte so recht vergnügt in sich hinein und nahm alles wie einen köstlichen Scherz hin. 
    »Das ist eine spaßige Sach’,« sagte sie übermütig, »ich kann mir totlachen! Wenn sie wüßte, daß die böse Spitzbuben mit sie unter eine Dach wohnen. – Wie würde sie sich staunen!« 
    Ilse hielt ihr den Mund zu. »Du darfst nicht darüber lachen, Nellie,« gebot sie entschieden, »ich schäme mich so sehr! Spitzbuben hat uns Fräulein Raimar genannt, und das sind wir auch. Ich hatte gar nicht daran gedacht, und das war recht dumm von mir.« 
    »Wer wird so strenge richten, kleine Weisheit,« tröstete Nellie. »Was man in der Mund steckt, ist kein Diebstahl, merken Sie sich das! Fräulein Raimar bekommt auch so große Kostgeld, da bezahlen wir die paar lumpige Apfel alle mit. – Komm, gieb mir ein Kuß und sieh nicht so trübe aus, du klein Spitzbube!« 
    Mit Nellie war schwer streiten. Sie widerlegte so harmlos und sah so schelmisch dabei aus, daß Ilse, wenn sie auch nicht überzeugt wurde, sich wenigstens nicht mehr so hart anklagte. Aber auf einem bestand sie. Nellie mußte ihr die Hand darauf geben, daß niemals wieder ein ähnlicher Streich von ihnen ausgeführt werden solle. – – 
    * * * 

Die Tage wurden kürzer und kürzer. 
    Der Oktoberwind fuhr sausend durch die Bäume und trieb sein lustiges Spiel mit den trocknen, gelben Blättern. Oede und verlassen lag der Garten des Instituts, denn der schöne Aufenthalt im Freien hatte so ziemlich ein Ende, die Mädchen waren mehr und mehr auf die Zimmer angewiesen. 
    In den Wochentagen empfanden sie das kaum, aber an den Sonntagnachmittagen, die sie gewohnt waren, im Garten zu verleben, da fühlten sie sich doppelt eingeengt. In den Zimmern war es so dumpf, so langweilig; so war Ilses Ansicht. Man konnte doch nicht immer Briefe schreiben, oder nähen. Sich die Zeit verkürzen mit Romanschreiben, das konnte nur Flora, die denn auch den innigen Wunsch hatte, die Sonntagnachmittage möchten ewig dauern. 
    »Ich komme heute auf euer Zimmer,« sagte sie eines Sonntagmorgens zu den Freundinnen. »Ich werde euch meine neueste Novelle vorlesen, natürlich nur den Anfang und den Schluß, das andre habe ich noch nicht geschrieben, ich mache es immer so. Ich sage euch, ihr werdet entzückt sein, Kinder! Ich selbst fühle, wie entzückend mein neuestes Werk mir gelungen ist!« 
    Nellie lächelte. »Wie ich mir auf dieser neue Werk freue!« sprach sie neckend. »Immer nur die Anfangs und die Endes macht Flora. Die langweilige Mitte laßt sie aus! O, sie ist ein großer Dichter!« 
    Flora war heute gar nicht empfindlich, sie that, als höre sie Nellies Neckereien nicht. 
    »Also auf heute nachmittag!« sagte sie und drückte Ilse die Hand. 
    Nach der Kaffeestunde begleitete sie denn auch die beiden Mädchen auf ihr Zimmer, und nachdem alle drei am Fenster Platz genommen hatten, zog sie mit wichtiger Miene mehrere lose Blätter aus ihrer Kleidertasche hervor. 
    »Fang doch an dein’ Novelle, warum besinnst du dir?« fragte Nellie, als Flora ein Blatt nach dem andern ansah und wieder beiseite legte. 
    »Entschuldigt einen Augenblick,« entgegnete Flora, »das ist mir alles so durcheinandergekommen. – Seite 5–10–11–3–« zählte sie. »Halt! hier ist Blatt I. So, nun will ich beginnen! – Und Nellie, thue mir den einzigen Gefallen, unterbrich mich nicht fortwährend mit deinen witzigen Einfällen, du schwächst wirklich den ganzen Eindruck damit. – Nun hört zu. Meine Novelle heißt: 
    Ein Schmerzensopfer. 
    Das Meer brauste und der Sturm tobte. – Weiße Möwen flogen krächzend darüber hinweg. – Der Mond lugte dann und wann zwischen zerrissenen Wolken hervor – traurig – einsam. – – 
    Da schaukelt ein kleines Schiff auf den hohen Wogen und nähert sich dem Strande. Ein junges Mädchen sitzt allein darin. Leichtfüßig schwingt sie sich aus dem Schiff und setzt sich auf ein Felsstück, das von den Wellen des Meeres umspült wird und hart am Strande liegt. 
    Tief seufzt sie auf und ihre großen Vergißmeinnichtaugen füllen sich mit Thränen. 
    ›Was soll ich beginnen?‹ flöten ihre Lippen und in ihrem süßen Blumenangesichte drückt sich ein schmerzliches Entsagen aus. ›Er liebt mich – und ich ihn! Aber Aurora liebt ihn auch und sie ist meine geliebte Schwester! Kann ich sie leiden

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