Der Trotzkopf
sehen? – Nein – nimmermehr! Und sollte ich darüber an gebrochenem Herzen sterben!‹
Sie seufzte tief. ›O sterben! Aber ich fühl’s, ich werde nicht sterben – mein Herz wird nicht brechen, – es wird weiter schlagen, – – wenn es auch besser wäre, das zähe Ding stände zur rechten Zeit für ewig still!‹ – –«
Hier machte Flora eine kleine Pause und Nellie konnte es nicht unterlassen, sie zu unterbrechen.
»O wie furchtbar traurig!« rief sie aus, »das arme Blumenangesicht mit die Vergißmeinnichtsauge und das zähe Herz! Wo ist sie denn hergekommen auf ihres kleines Schiff, – so allein auf die brausende Meer?«
Und sie lachte mit ihren Schelmengrübchen so herzlich über Floras Unsinn, daß ihr die Thränen in die Augen traten.
»Wie abscheulich von dir, Nellie,« fuhr Flora sehr erzürnt auf, »daß du mich so unterbrichst! Wenn nur ein Funken Poesie in deinem Busen schlummerte, würdest du meine Werke verstehen. Aber du bist nüchtern vom Scheitel bis zur Sohle!«
»O, o!« lachte Nellie ausgelassen, »o, wie komisch bist du, Flora! Lies nur weiter dein ›Schmerzensopfer‹, ich will nun artig hören und kein Laut mehr lachen.«
Aber Flora nahm schmollend ihre Blätter zusammen. Das heißt, es war ihr nicht so recht Ernst damit, denn als auch Ilse sich aufs Bitten legte, sie möge doch nun auch den Schluß ihrer Novelle vorlesen, da ließ sie sich erweichen. Schon hatte sie die Lippen geöffnet, um fortzufahren, da wurde sie unterbrochen durch Melanies hastigen Eintritt.
»Kinder!« rief diese aufgeregt, »es ist etwas furchtbar Interessantes passiert! Denkt euch, eben ist eine höchst elegante Dame vorgefahren mit einem reizend netten, kleinen Mädchen. Fräulein Raimar empfing sie schon an der Thür und Orla hat deutlich gehört wie sie sagte: ›Sie bringen das Kind selbst, gnädige Frau!‹ – Es bleibt also hier in der Pension, und wir haben nichts davon gewußt! Warum wird nun die ganze Geschichte so furchtbar geheimnisvoll gemacht? Wir haben doch stets gewußt, wenn eine neue Pensionärin ankam! Ich finde das, aufrichtig gesagt, klassisch!« –
Die Mädchen horchten erstaunt auf und selbst Flora vergaß das Weiterlesen. Welch eine Bewandtnis hatte es mit dem kleinen Mädchen, das so plötzlich hereingeschneit kam?
»O, welch eine klassische Geschichte!« rief Nellie. »Kommt, wir wollen gleich die fremde Dame mit ihres Kind uns ansehen!«
Und sie eilten die Treppe hinunter mit einer Hast und Neugierde, als ob ein neues Wunder aufgegangen sei, Nellie den andern immer voran, sie mußte die erste sein, die dasselbe in Augenschein nahm.
Es war aber gar nichts zu sehen, denn vorläufig verweilten die Fremden in Fräulein Raimars Zimmer. Indessen der Wagen hielt noch auf der Straße und Nellie schloß daraus, daß die Dame sich nicht allzulange aufhalten werde.
»Sehen müssen wir ihr,« sagte Nellie, »kommt, wir stellen uns an der großen Glasthür im Speisesalon und warten, bis sie kommt.«
Als sie dort eintraten, fanden sie bereits die Thür belagert. Es gab noch andre Neugierige in der Pension.
»Ihr kommt zu spät!« rief Grete, die natürlich den besten Platz hatte. »Dahinten könnt ihr nichts sehen!«
Nellie aber wußte sich zu helfen. Sie zog einen Stuhl heran und stellte sich darauf. Ilse natürlich kletterte ihr nach.
Die Geduld der Mädchen wurde auf eine harte Probe gestellt, wohl eine gute halbe Stunde mußten sie noch warten, bevor die Erwartete erschien. – Langsam und lebhaft sprechend ging sie mit der Vorsteherin an den Lauschenden vorüber. Zum Glück war es bereits dämmerig und die Damen waren so in der Unterhaltung begriffen, daß sie nicht auf die vielen Mädchenköpfe hinter der Glasthür achteten, Fräulein Raimar würde die kindische Neugierde ernstlich gerügt haben.
»O, wie sie hübsch ist!« bemerkte Nellie halblaut.
»Sei doch still, Nellie,« gebot Orla, die das Ohr dicht an der Thür hielt, um einige Worte zu erlauschen.
»Was sagt sie?« fragte Flora, »ich glaube, sie spricht französisch.«
»Nein, italienisch,« behauptete Melanie, die nämlich seit einigen Tagen angefangen hatte, diese Sprache zu treiben.
»Sie spricht deutsch,« erklärte Grete. »Eben hat sie gesagt: Meine kleine Lilli.«
»Gott bewahre, was du gehört hast!« widerstritt Orla, »sie spricht englisch.«
»O, eine Landsmann von mir!« rief Nellie laut und erfreut.
Ueber diese drollige Bemerkung kam
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