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Der Tschernobyl Virus

Der Tschernobyl Virus

Titel: Der Tschernobyl Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Huehne
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zu den ehemaligen Buden und Ständen mit Süßwaren, Snacks und Getränken. Er ging den Gang bis zum Ende und bog dann wieder rechts ab, wo die alte Geisterbahn stand. Er sah am anderen Ende des Weges auch schon Borys einbiegen. Sie waren jetzt etwa zweihundert Meter voneinander entfernt, als plötzlich ein Geräusch beide erstarren ließ. Regungslos standen beide da und hielten ihre Gewehre fest in den Händen. Mit wachsamen Augen setzten sie sich langsam wieder in Bewegung. Als die beiden sich in der Mitte trafen, sahen sie zu der Bude, aus der das Geräusch gekommen war. Ganz vorsichtig gingen sie auf die Bude zu. Jetzt hörten sie leises Trippeln aus dem Inneren der Bude. Dann kam das Geräusch wieder. Igor dachte, er höre nicht richtig. Aber tatsächlich, es war das Miauen einer Katze. Etwas zu tief, aber eindeutig eine Katze. Igor und Borys lächelten sich an, schnauften durch und hängten sich ihre Gewehre wieder über den Rücken und gingen näher an die Bude.
    »Komm Kätzchen«, Borys versuchte, die Katze anzulocken, »put put put, komm Katze“
    »Das ist kein Huhn, Borys«, Igor lachte, »so kommt keine Katze.«
    »Dann ruf du sie doch«, Borys klang beleidigt, »vielleicht versteht sie dich ja.«
    »Bestimmt besser als mit deinem putput Mist.« Gerade wollte er näher an die Bude treten, als das Tier hervorsprang. Die beiden Soldaten zuckten zusammen und wichen einen Schritt zurück. Igor stolperte und fiel auf den Rücken, »So ein Mist«, rief er, während Borys sich vor Lachen den Bauch hielt. Dann streckte er die Hand aus und half seinem Freund wieder auf die Beine.
    Das Tier saß immer noch da und sah die beiden an. Jetzt blickten auch Borys und Igor sich das Tier genauer an. Es war eindeutig eine Katze.
    Igor zeigt mit seinem linken Zeigefinger auf das Tier. »Das«, meinte er dann in einem Ton, den ein Dozent bei einer Präsentation haben könnte, »das ist wohl die hässlichste Katze der Welt. «
    Hässlich war sie wirklich. Sie war einen gute halben Meter hoch und hatte kaum Fell. Der Kopf war viel zu groß für den Körper. Vorsichtig näherte sich Igor der Katze. In dem Moment, als er in ihrer Reichweite war, holte die Katze aus und versetzte ihm einen Hieb mit ihren Krallen. Igor schrie auf, und Borys zog reflexartig sein Gewehr vor und schoss auf die Katze. Doch sie war schnell zur Seite gehüpft und rannte jetzt fort. Borys ging zu Igor und betrachtete die tiefe, stark blutende Fleischwunde am Arm.
     

Kapitel 1 – Vor drei Jahren
     
    »Damals begriffen wir nicht, dass es ein Abschied für immer ist«, sagte Olexij.
    »Die im Bezirksbüro wussten selbst nicht richtig Bescheid«, fügte Valentyna hinzu und schenkte ihrem Besucher noch etwas Tee nach.
    »Viele Funktionäre kamen von weit her, bis aus Moskau«, erzählte er weiter. »Sie verstärkten das völlig unterbesetzte Parteibüro. Aber sie kamen ja erst drei Tage nach der Explosion, sie konnten gar nicht wissen, was sich hier inzwischen abgespielt hatte. Trotzdem übernahmen sie das Kommando und gaben Anweisungen. Dabei waren sie selbst kaum informiert über das, was passiert war.«
    Robert Lehman, war aus dem fernen Oxford nach Kiew gekommen, um Olexij und Valentyna nach ihren Erinnerungen an den Supergau von Tschernobyl zu befragen. Er war Doktorand an der Universität von Oxford und nahm an dem Projekt >Oxforder Volontäre für Tschernobyl<, das von der Ukrainischen Gemeinschaft der Universität Oxford zusammen mit der nationalen Universität >Kiewer-Mogiljaner Akademie< und dem Tschernobyler Programm für Wiederaufrichtung und Entwicklung PWEUNO in der Ukraine organisiert wurde. So hatte er schon sehr viele Informationen bekommen, an die er ohne dieses Projekt nie gekommen wäre. Dieses Interview sollte das wirkliche Leid der Menschen um Tschernobyl aufzeigen, und es sollte die Krönung seiner Doktorarbeit werden. Jetzt saß er in dieser kleinen heruntergekommenen Wohnstube und hörte diesen beiden alten, kranken Menschen zu.
    Sein Gastgeber trank noch einen großen Schluck Tee, hustete kurz und erzählte weiter, »Die freiwilligen Helfer waren damals meist Wehrpflichtige in der Grundausbildung, Soldaten aus Afghanistan und Männer aus Prypjat, sofern sie noch arbeitsfähig waren. Alle mussten sich im Parteibüro melden. Die Leute dort haben versucht, die notwendigen Arbeiten zu organisieren, Aber sie hatten selbst kaum Informationen über das wahre Ausmaß der Katastrophe, deshalb waren ihre Anweisungen oft widersprüchlich«,

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