Der Tuchhändler (German Edition)
ich da und dort ein wenig beugen mußte, um sie in den Fluß der Geschichte einzupassen.
Betrachten wir zunächst die geschichtlich belegten Personen, die eine Rolle spielen. Da gibt es Hanns Altdorf er, der im November 1475 tatsächlich die Stelle des Stadtkämmerers innehatte und sein Wohnhaus neben dem Rathaus für die Unterkunft des Hochzeitspaares räumen mußte. Ich weiß nicht, wie er wirklich ausgesehen hat, und ich nehme an, daß er in Wahrheit ein verheirateter Mann mit Familie war anstatt des arbeitswütigen Junggesellen, als den ich ihn dargestellt habe. Er war ein Mitglied des vielköpfigen Komitees, das unter Leitung der Kanzler Mair und Alber die Hochzeit zu organisieren hatte, und in dieser Funktion für die Koordinierung der stadteigenen Wappner zuständig. Ich habe ihm vielleicht ein paar zusätzliche Aufgaben angedichtet, aber wer weiß, was der wirkliche Stadtkämmerer damals noch an Arbeiten erledigte, um die Hochzeit gelingen zu lassen.
Doktor Martin Mair, der Kanzler, dessen Anteil an der Fürstenhochzeit ich auch im Roman wahrheitsgetreu zu schildern versucht habe (und dabei, betrachtet man die tatsächliche historische Gestalt und ihren enormen Wirkungskreis, wahrscheinlich noch untertrieb), hat sich nicht nur in den Geschichtsbüchern verewigt. Seine Person ist sogar Bestandteil der Festspiele, die regelmäßig zur Feier der Fürstenhochzeit zu Landshut aufgeführt werden; man kann seine schwergewichtige Gestalt neben der Sänfte ausmachen, in der Herzog Ludwig seiner Gichtanfälle wegen getragen wird.
Richter Wilhelm Trennbeck, der Mann, der für die Unterbringung der Gäste zuständig war und zugleich der »alten Frau von Sachsen« bei der Hochzeitstafel die Aufwartung machen durfte, war im November 1475 der eigentliche Stadtoberrichter; Meinrad Girigel ist eine fiktive Person, der er der Handlung zuliebe seine Stellung kurzfristig abgetreten hat. (Zumindest läßt sich kein Meinrad Girigel in der Abfolge der Landshuter Stadtoberrichter finden, aber das kann auch damit zusammenhängen, daß man aufgrund seiner Verbrechen seinen Namen aus den Chroniken tilgte ...)
Albert Moniwid, der undurchsichtige litauische Edelmann, taucht in den Schilderungen der Fürstenhochzeit immer wieder auf; belegt sind sein großer Einfluß am polnischen Hof, sein schillernder Auftritt in Wittenberg mit dem perlengeschmückten Pferd und sein unentschuldigtes Fernbleiben von der Hochzeitstafel. Belegt ist auch sein Pesttod zusammen mit einem Großteil des Hochzeitstrosses vor den Toren der Stadt Kolo. Was dazwischen liegt, habe ich entweder erfunden oder den Handlungen anderer, namenloser polnischer Hochzeitsgäste entnommen und ihm zugeschrieben.
Ebenfalls der historischen Wirklichkeit entspricht die Person des Baumeisters der Martinskirche, Hans Stethaimer. Hier scheiden sich allerdings die Geister, da sich aufgrund der mittelalterlichen Tradition, die Person des Architekten bedeutend geringer einzuschätzen als sein Werk, widersprüchliche Angaben finden. Mancher setzt Hans Stethaimer mit dem Meister Hans von Burghausen gleich, der als der eigentliche Baumeister der Martinskirche gilt, aber es lassen sich auch Dokumente finden, die in der chronologischen Abfolge Namen wie Hans Krumenauer, Hans Steinmetz von Burghausen, Stephan Krumenauer und schließlich Hans Stethaimer aufzählen. Ich habe diese ungenaue Faktenlage benützt, den klingenden Namen Stethaimer in meine Geschichte einzubeziehen, und bitte die versierteren Kenner der Landshuter Historie sicherheitshalber vorab dafür um Verzeihung. Einigen anderen im Roman vorkommenden historischen Nebencharakteren wie zum Beispiel Walther vom Feld, Wolf gang Leutgeb und Contzen von Asch habe ich Rollen in meinem Roman zugewiesen, die sie in Wirklichkeit nicht genau so spielten.
Unrecht habe ich womöglich Ulrich Ebran von Wildenberg mit seiner charakterlichen Schilderung getan, der sich in verschiedenen Aufzeichnungen als Liebhaber von Susanne Reckel (oder Röckl) findet, jener unglücklichen Frau, die den Bürgeraufstand der Osterf eiertage 1410 verraten haben soll. Es gab das Geschlecht derer von Wildenberg, und die Nennung des Namens in späteren Chroniken belegt, daß mit Ulrich Ebran die Familie keineswegs ausstarb – oder ausschließlich aus opportunistischen Schürzenjägern bestand. Bei seiner Schilderung habe ich mich im wesentlichen an seine Charakterisierung in dem Theaterstück »Der Bürgeraufruhr zu Landshut« von Anton Nagel angelehnt.
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