Der Tuchhändler (German Edition)
verlangte Moniwid, Herzog Christoph möge absteigen und sich untersuchen lassen, damit er keinen heimlichen Vorteil habe. Der Herzog tat es wutschnaubend und wurde an allen möglichen Körperteilen gründlichst untersucht; selbst seinem Pferd blieb die Prozedur nicht erspart. Danach ließ ihn Moniwid wieder aufsteigen und bat ihn, die Bahn auf- und abzureiten. Christoph tat auch dies, worauf Moniwid erneut der Gedanke kam, der Bayer könne sich einen illegalen Vorteil verschafft haben, und ihn wieder absteigen ließ. Herzog Christoph begann so laut zu tobben, daß die ganze Altstadt widerhallte. Als sie endlich aufeinander losritten, zerbrach Moniwids Spieß, und er stürzte vom Pferd; der Anprall riß selbst Moniwids Gaul zu Boden. Als dieser wieder auf die Beine kam, wandte sich Herzog Christoph um, um sich aus dem Gewirr von Spießen, Zügeln und um sich schlagenden Beinen zu befreien, und sein Pferd stieß das Moniwids erneut um, wobei es diesmal direkt auf den Polen fiel. Man mußte ihn vom Platz tragen; ich nehme an, so hatte er sich sein Zusammentreffen mit dem Bayern nicht vorgestellt.
Am Freitag war die Hochzeit vorüber, und es dauerte wiederum ein paar Tage, bis alle Gäste aus der Stadt abgereist waren. Einen Kaufmann interessieren natürlich in erster Linie die Kosten, und so ließ ich mir Einblick in die Aufstellung geben, die man darüber für die Nachwelt angefertigt hatte. Ich konnte selbst nicht glauben, daß man soviel Geld für eine Hochzeit ausgegeben hatte: Es waren sechzigtausend Gulden. Man hätte die Häuser der halben Stadt dafür kaufen können. Sie hatten über dreihundert Ochsen, fast ebenso viele Schweine, mehr als dreitausend Schafe und Lämmer, fünfhundert Kälber, siebenhundert Spansauen, elftausend Gänse und vierzigtausend Hühner verzehrt; daneben zweihunderttausend Eier, zweihundert Zentner Schmalz, vierzehn Zentner Flußfische und ungezählte Mengen an Getreide, Zwiebeln und Gemüse. Um die Speisen zu würzen, verbrauchten sie unter anderem eineinhalb Zentner Safran, dreihundert Pfund Pfeffer, fünfhundert Pfund Zucker und nochmals sechshundert Pfund anderer Gewürze, und ich konnte mir schon denken, daß Sebastian Löws abführendes Konfekt reichlichen Zuspruch erhielt.
Ich war bei den meisten der Feierlichkeiten als Zuschauer dabei; der Kanzler sorgte dafür. Es war wohl seine Art, mir zusätzlichen Dank abzustatten zu der reichen Summe, die er mir schon aufgedrängt hatte. Ich fühlte mich seltsam fröhlich, so daß ich mit wahrer Freude daran teilnahm. Ich hätte selbst mit Albert Moniwid geplaudert, so leicht war mir ums Herz, aber besonders nach seinem unglücklichen Rennen wich er den meisten Leuten aus und verkroch sich in seiner Behausung. Er nahm nicht einmal mehr seinen Platz an der Hochzeitstafel ein. Mit dem ersten Troß, der Landshut in Richtung Polen verließ, zog er davon. Ich habe gehört, daß er nicht mehr bis zurück an den Königshof gelangte. Der Treck hatte sich irgendwo in Schwaben mit der Pest angesteckt, und um Weihnachten des Jahres 1475 verstarben Moniwid und ein Großteil der polnischen Gesandtschaft in einem verdreckten, heruntergekommenen Zeltlager vor den Toren der Stadt Kolo an der Seuche.
Wir hatten die Hochzeit zwischen Herzog Georg und der polnischen Prinzessin Jadwiga gerettet. Die Hauptbeteiligten daran, nämlich der Bräutigam und die Braut, waren jedoch nicht in der Lage, aus diesem Umstand ihr Glück zu gestalten. Als hätten sich die Ereignisse davor doch noch auf eine geheimnisvolle Art und Weise auf ihre Zukunft ausgewirkt, verlebten sie ihre Jahre getrennt voneinander; die Herzogin in offener Verbannung auf der düsteren Burg in Burghausen, der Herzog auf der Jagd, auf Turnieren oder in den Betten von Huren, wenn er nicht versuchte, glücklos Politik zu machen.
Jana Dlugosz war während der Hochzeitsfeierlichkeiten meine Begleiterin. Die kleinen Geschäftsbeziehungen, die sie heimlich geknüpft hatte, blühten jetzt auf; vielleicht lag es daran, daß sie sich in meiner Begleitung zeigte und ich wiederum für alle Welt sichtbar von Kanzler Martin Mair geehrt wurde. Wahrscheinlich jedoch nicht – sie brauchte meine Hilfe nicht, und ich konnte mich des Verdachts nicht erwehren, daß sie ihre Geschäfte ohne mich besser abschloß als mit mir. Ich habe niemals behauptet, daß ich ein ausgezeichneter Kaufmann wäre. Sie verließ den polnischen Troß und mietete sich in einer Herberge in der Stadt ein, die auf wundersame Weise (und auf
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