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Der Turm

Der Turm

Titel: Der Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Tellkamp
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waren rotbeschlipst, was zu einem algigen Auf- und Abschwanken rhythmisch gekreuzter Sperrfeuer führte, als die Spieler begannen, geschmackvoll an Evergreens herumzumassieren; Routine, die Meno an Verkäuferinnen auf dem Striezelmarkt denken ließ, die ebenso nüchtern und effektiv beim Abpacken ihrer Tannenbaumschmuckkugeln vorgingen wie diese Instrumentalisten beim Abgreifen ihrer klingenden Seelentröster. Judith Schevola beugte sich zu ihm: »Eins, zwei, drei, wieder ’n Takt vorbei. Sozialistische Arbeitsmoral, angewandt auf die Tanzmusik. So schweigsam, Herr Rohde? Eigentlich müßten Sie Kiebitz heißen. Ich bitte um eine von Ihren ›Orient‹«.

    … aber dann auf einmal …

    Else Alke streifte im Vorübergehen Blumen, die Blumen verwelkten. Malthakus und Witwe Fiebig und die Meerkatzen trankenPunsch, begannen sich auf den Stühlen hin- und herzudrehen, als hielte es sie kaum noch; die Beine zuckten zur Musik.
    klick,
    hörte Meno neben sich, eine Feuerzeugflamme erhellte Judith Schevolas Züge, Altberg gab ihr Feuer. Vom Tisch Barsanos drang das fiebrige Lachen der Burgfräuleins, Wodka, Punsch, Korn rannen durch die Kehlen, Augen glänzten wie tollkirschgeschwärzt. Meno hörte Hundegebell, hörte, wie der Wind Stimmen herantrug, durch die träumerisch verlangsamten Bewegungen der Feiernden über die Tische und beiseitegebogenen Akkorde der Tanzkapelle; Geheul und Wehklagen; aber es mochte eine Täuschung sein wie die beiden Grüngekleideten am Fenster, wie die durch einen Wust von Geräuschen leise, doch klar zu verstehende Stimme Eschschloraques, der zu Philipp sagte: »Ich habe mir deine Papiere durchgesehen; soviel ich davon verstehe, steuern wir auf eine Pleite zu. Das ist brisantes Material, wenn die Zahlen stimmen, und ich kann nicht begreifen, weshalb man die Augen davor verschließt.«
    Der Conferencier warf den Kopf zurück wie ein Hengst, die dreiwettertaftgehärtete Mähne wirkte glasiert im Diskolicht, der Schnurrbart liftete sich auf einer Seite, entblößte lange Zähne: »Es darf getanzt werden, meine Damen und Herren!«
    Heinz Schiffner, die Augen im Ausschnitt Babett Honichs, suchte in den Falten seiner Toga vergeblich nach einem Kamm.

    … aber dann auf einmal …

    »Den interessieren doch solche Berichte nicht. Weißt du, was er sagt? ›Das ist für mich ganz ohne Wert. Das ist genau das gleiche, was in der Westpresse steht.‹ Deshalb kümmert es ihn nicht.« »Weil nicht sein kann«
    »– was nicht sein darf. Ich würde stutzig werden, wenn mir die Grauleite das gleiche berichtete wie der Spiegel. Dann könnte ja womöglich was dran sein. Aber die ganz oben denken genauso, das ist das Schlimme.«
    »Neulich haben sie sich im Politbüro mit dem Damenschlüpferproblem beschäftigt. Es gibt keine Damenschlüpfer, weder in Berlin noch im unwichtigen Rest«, sagte Albin Eschschloraque,»man wollte ein Damenschlüpferproblembeseitigungskonzept entwickeln. Nun hatte aber der Frauenbund schon eine Zeitungskampagne gestartet, mit Schnittmuster, wie man Damenschlüpfer selber nähen kann.«
    »Die beiden Kaminskis gehen als Engel. Gott, wenn Tugend lehrbar wäre.«
    »Aber hören Sie doch nicht auf diesen Eschschloraque, Rohde! Mit dem werden wir auch noch fertig. Dieser Graf mit französisch geschliffenem Mundwerk – der den Kommunismus nur deshalb will, weil dann jeder Zeit haben wird, in seine Stücke zu gehen!«
    »Ach, Paul, bist du etwa neidisch?«
    »Und du, Lührer? Wo man dich trifft, quatschst du von Westreisen und Valutatantiemen!«
    »Herr Schade, was ich Ihnen schon lange mal sagen wollte –« »Ach, Sie gibt’s auch noch, Fräulein Schevola?«
    »Wie Sie sehen.«
    »Na schön. Das muß ja nicht so bleiben. Und was ist es, das Sie mir sagen wollen?«
    »Sie können nichts.«
    »Was?«
    »Gar nichts. Sie sind ein Funktionär, aber kein Schriftsteller, geschweige denn ein Dichter.«
    »Ich sage Ihnen … ich sage euch, die Juden … die haben schon wieder Macht. In Amerika hetzen sie gegen uns, lassen uns die Kredite sperren … Wir haben mit Japan abgeschlossen. Die Japaner helfen uns. Gibt eben doch gewisse Charaktereigenschaften, Volks … dings.«
    »Du bist ja betrunken, Karlheinz. Du … widerlich.«
    »Trag’s mit Fassung, Schorsch Altberg. Wie Genosse Londoner. Reg dich nicht auf. Mensch, das Zeug hat’s in sich. Fast wie die Ziehharmonika beim Chef.«
    »Damenschlüpfer? Sollen sie sich doch Pionierhalstücher umbinden – wie die Honich! Davon gibt’s doch

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