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Der Turm

Der Turm

Titel: Der Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Tellkamp
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genug.«
    »Karlheinz, ich habe bisher nie was gesagt, wenn du solche Reden geschwungen hast. Aber jetzt möchte ich, daß du Philipp und Judith um Entschuldigung bittest.«
    »Nanu, was ist denn in dich gefahren? Hast du jetzt auch was zumelden, Schorsch? Sonst hältst du am besten die Klappe. Du bist doch erledigt, ich meine – tot.«
    »Mag schon sein. Übrigens ist es gar nicht so schlimm, tot zu sein. Man gewöhnt sich an alles. Wenn du dich nicht entschuldigen willst, gebe ich deine Aussage an die Parteikontrollkommission weiter.«
    »Ach. Du willst mich anschwärzen? Dazu kann ich nur sagen: Viel Erfolg! Von diesen Vögeln kriegst du noch ganz anderes zu hören!«
    »Tugend, Tugend! Ich frage Sie nach Tugend, mein lieber Altberg, und Sie antworten mir – mit Tugenden. Machen Sie doch nicht immer aus einem vieles: wie diejenigen, die etwas zerbrechen!«
    »Und was wäre sie, Ihrer Meinung nach, mein lieber Eschschloraque? Darf ich Ihnen übrigens zu Ihrem Kostüm gratulieren? Dieser Eselskopf steht Ihnen ausgezeichnet.«
    »Ich wußte, daß Sie darauf anspielen würden. Nun, nicht jeder will so tief steigen – oder sollte man sinken sagen – wie Sie … Daß man sich des Schönen erfreut und desselben mächtig ist. Das sagt der Philosoph. So verstehe ich denn unter Tugend dies, voll Begier nach dem Schönen imstande zu sein, es sich zu verschaffen. – Herr Ritschel, hier. Bitte. Auch unser Tisch ist einmal an der Reihe. Ich hätte gern den Marmelzitterrochen probiert, der so entsagungsvoll von Ihrer Fischplatte schaut.«
    »Nach Ihrer Logik, mein lieber Eschschloraque, wäre jeder Freier, der sich eine hübsche Hure kauft, ein höchst tugendhafter Mensch. Voll Begier ist er nach dem Schönen, und genügend Geld dürfte er auch in der Tasche haben.«
    »Sie sind zynisch, Altberg. Das paßt nicht zu Ihnen. Der Zyniker beginnt im Leben zu sterben.«
    »Entschuldigen Sie, mein lieber Eschschloraque, daß ich lache. Sie und ein Tugendbold. Das ist ei-gen-t-lich etwas für Arbogasts Witzesammlung.«
    »Ich bin ein Tugendbold, insofern Tugend etwas Nützliches ist. Ach was, Altberg! Ich war oft mit Nützlichem beschäftigt.«
    »Nützlich, doch nicht gut!«
    »Gut, weil nützlich! Graben Sie, Bergmann, graben Sie.«
    »Und immer bei den Mächtigen, mein lieber Eschschloraque.Denen geselle zum Trunk und zum Schmaus dich, sitze bei denen, zeige gefällig dich nur denen, die mächtig im Staat.«
    »Aber, aber, das Verslein geht noch weiter, Sie gestatten, lieber Altberg, daß ich fortfahre? Nur von den Besten erlernst du das Beste; verkehrst du mit Schlechten, dann ist bald auch dahin, was du besaßt an Vernunft.«
    »Damenschlüpfer? Pionierhalstücher?«
    »Mein Mann, na ja. Frühmorgens denke ich immer, mit einem Walroß verheiratet zu sein. Dann stehen seine Haare zu Berge, er nimmt den Zahnputzbecher, schäumt mit der Zahncreme herum und gurgelt, daß es eine Art hat. Dann bläst er das ganze Zeug durch seine Bartstoppeln in den Ausguß. Ich beobachte ihn und denke: Mit so was bist du nun verheiratet, seit dreißig Jahren im Zwangskasten. Und dann die ewigen Umzüge. FDJ-Studienjahr, Aufbaulehrgänge, Aufbaustudium in Moskau, Parteisekretär in Provinznestern, dabei hatte er mir versprochen, daß wir mal nach Berlin gehen … Meine Freundinnen haben alle ihr Häuschen im Grünen und dazu Datsche und Auto, sogar zwei Autos die meisten, und wir? ’ne Neubau-Dreizimmerkifte, weil er nicht in den Block A wollte, und weil ein Parteimitglied Vorbild sein muß, und er die korrupten Typen, die sich Genossen nennen dürfen und das Ansehen der Partei schänden, nicht ausstehen kann … Dafür sitz’ ich da und frage mich manchmal: Mädel, was hast du aus deinem Leben gemacht?«
    »Die Anatomie des Auges ist eine einfache, lieber Rohde. Es geht, als ob man etwas schriebe, in einem Brief etwa, in klarer, deutlicher Sprache, so einfach wie möglich, und der andere liest doch nur, was eine fremde Optik, eine optische Täuschung, über das Blatt als Sinn legen – das eine steht geschrieben, aber das andere wird verstanden.«
    »Ach, hätt’ ich nur genommen den König Drosselbart, ach, hätt’ ich den nur genommen.«
    »Diese mausetoten Scheißkerle! Ideale! Gott, die hatten doch nie welche! Die wollten Geld verdienen, richtig auf ’n Putz haun, vielleicht sogar ’n Westauto ergattern, das ist ihr Horizont! Sozialisten, die ziehen die Idee des Sozialismus in den Dreck, nichts weiter!«
    »Philipp, achte auf deine

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