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Der überflüssige Mensch: Unruhe bewahren (German Edition)

Der überflüssige Mensch: Unruhe bewahren (German Edition)

Titel: Der überflüssige Mensch: Unruhe bewahren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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Atemzug demokratische Defizite zu benennen, vor allem, wenn es um Russland geht. Dabei gibt es keinen Zweifel, dass es sich bei den heimischen Krösussen um Oligarchen gemäß der gängigen politikwissenschaftlichen Definition handelt: Oligarchen sind gesellschaftliche Akteure, die ihr massives Vermögen zu verteidigen wissen sowie in politischen Einfluss ummünzen können. Keines der Regulative der parlamentarischen Demokratie verhindert eine weitere Konzentration des Vermögens in den Händen einer oligarchischen Elite.
    Der Einfluss dieser Oberkaste ist historisch gesehen erstaunlich resistent gegen Angriffe von außen. Seit dem Altertum herrscht die Überzeugung vor, es sei ungerecht, das Ungleichgewicht, das sich aus Vermögenskonzentration ergibt, zu korrigieren. Viele Ungerechtigkeiten sind erkannt, bekämpft und überwunden worden, doch beharrlich hält sich die Auffassung, es sei falsch, gar böse, massiv konzentrierten Wohlstand zu verhindern oder zu zerschlagen. Unter allen bekannten Formen der Ungleichheit ist im Mainstream allein die oli-garchische Macht noch nicht grundsätzlich infrage gestellt worden.
    Kaum wagt einmal jemand einen Vorstoß in diese Richtung, heulen die medialen Wachhunde des Vermögens auf. Der Spitzensteuersatz »greift den Reichen in die Tasche«, er sei »exorbitant«, die Diskussion »fördert den Sozialneid«. Es werden Interviews mit Experten geführt, die bei einer höheren Belastung der Vermögen den Untergang des Abendlandes vorhersehen. Kein Wunder, sind diese doch Teil einer florierenden Branche, der Vermögensverteidigungsindustrie, bestehend aus umtriebigen Buchhaltern, Rechtsanwälten, Steuerberatern und Lobbyisten. Denn der einzige Angriff, gegen den ein Oligarch sein exorbitantes Vermögen im Westen verteidigen muss, ist die Besteuerung durch den Staat. Extremes Vermögen erlaubt einem, die eigenen Kerninteressen auf umfangreiche Weise zu schützen. Michael Bloomberg, Milliardär und New Yorker Bürgermeister von Geldes Gnaden, erklärte einmal hierzu süffisant: »Man kann jene, die mobil sind, gar nicht überbesteuern!« Die Steuerzahlen aus Deutschland belegen Bloombergs elitäre Zuversicht. Laut den Publizisten Sascha Adamek und Kim Otto entgehen dem Bund aufgrund von zu laxer oder zu schwieriger Verfolgung von Steuersündern jährlich atemberaubende 70 Milliarden Euro. Steuerbetrüger hätten schon mehr als 500 Milliarden Euro außer deutschen Landes gebracht.
    Massiver persönlicher Reichtum beschädigt den Gleichheitsanspruch, auf den eine halbwegs demokratische Gesellschaft nicht verzichten darf. Es gibt kaum eine extremere Form von sozialer und politischer Machtkonzentration. Materielle Ungleichheit bedingt politische Ungleichheit. Geld ist Macht, sagt der Volksmund. Der überproportionale Einfluss der Oligarchen ist uns allen bekannt, und doch wird im konventionellen Diskurs so getan, als wären wir alle gleich, weil jeder von uns beim Wählen eine Stimme hat.
    Die enorme Ungleichheit als gesellschaftliches Problem wird mit der Schutzbehauptung weggewischt, die Privilegien der Wenigen verurteilten keineswegs die Besitzlosen zu einem Leben voller Gefährdungen. Wohlstand sei kein Nullsummenspiel. Doch selbst wer den kausalen Zusammenhang zwischen Armut und Reichtum leugnet, wird das historische Faktum nicht abstreiten können, dass materielle Ungleichheit zu sozialen Konflikten führt. Statt dies zu problematisieren, erklärt eine Armada von Analysten der Öffentlichkeit mit der Regelmäßigkeit einer Gelddruckmaschine, das Wohl der Wenigen komme der Mehrheit zugute (der Trickle-Down-Effekt), was empirisch so sehr bewiesen ist wie die unbefleckte Empfängnis.
    Wir vergessen meist, dass Eigentum Verhandlungssache ist. Der Satz »das gehört mir« kann jederzeit infrage gestellt werden durch ein »sagt wer?« oder »wieso?«. In Krisenzeiten steht der Schutz des Eigentums eher zur Disposition, die Menschen sehen über zivilrechtliche Konventionen schneller hinweg. Es ist höchste Zeit, dass wir massives Vermögen grundsätzlich infrage stellen, denn es gefährdet das Gemeinwohl und ist moralisch nicht zu rechtfertigen. Wer das Thema umgeht, ist der Vermögensverteidigungsindustrie anheimgefallen, die neben der Geldwäsche auch die Gehirnwäsche beherrscht. Der beschäftigte Bürger soll glauben, dass jene, die langfristig oder gar permanent keinen Beitrag zum Wohlstand der Nation leisten (der ja, wie gerade ausgeführt, zum größten Teil der Wohlstand der

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