Der Überläufer: Tweed 3
Fernglas um den Hals gehängt, stieg zwischen den Bäumen zum Ufer hinab. Er half mit, das Schlauchboot an Land zu ziehen, nachdem die Insassen ausgestiegen waren.
»Ich beobachte euch eine halbe Stunde. Wie ihr diesen gottverlassenen Ort gefunden habt, wird mir immer ein Rätsel sein.«
»Ingrid hat ihn gefunden«, sagte Tweed und schaute Butler an, der, was Ingrid betraf, stets so mißtrauisch gewesen war. »Und jetzt bringen Sie uns gefälligst nach Arlanda. Ich möchte meine Maschine nicht verpassen.«
Mittels einer von Tweed ausgearbeiteten simplen Strategie vermieden sie in Arlanda, zuviel Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Fergusson und Nield stiegen aus dem Hubschrauber und gingen mit ihren Koffern zum Taxistand und ließen sich zum
Grand Hotel
fahren.
»Nield und Fergusson nehmen morgen eine Maschine zurück«, sagte Tweed zu Butler. »Ihr beide geht auf die Herrentoilette und verändert euer Aussehen. Und da ist der Paß. Ich möchte mich noch ungestört mit Ingrid unterhalten.«
Er nahm die Schwedin ins Büffet mit, wo sie sich Kaffee bestellten und an einem abgeschiedenen Tisch Platz nahmen. Er überreichte ihr ein längliches, dickes Kuvert.
»Das ist Ihr Honorar. Ich bin sehr dankbar, Sie waren mir eine große Hilfe.«
»Tweed, warum kann ich nicht mit Ihnen nach London kommen und bei Ihnen arbeiten?«
»Weil Sie nicht der Typ sind, der den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen und öden Versicherungskram bearbeiten mag. Und ich habe nur wenig Personal. Es gibt keine freie Stelle.«
»Also werden wir uns nie wiedersehen?« brachte sie mühsam heraus.
»Wir sehen uns, wenn ich das nächste Mal in Skandinavien bin.«
»Und wann wird das sein?«
»Ich habe keine Ahnung«, gab er zu. »Aber wir können in Kontakt bleiben.«
»Kann sein.«
»Da gibt es kein ›kann sein‹.« Er schaute auf die Uhr. »Ich verpasse meine Maschine, wenn ich jetzt nicht gehe. Nochmals vielen Dank.«
Sie sah ihm nach, aber er schaute nicht zurück. Nichts an seinem Gesichtsausdruck verriet den Widerstreit seiner Gefühle.
Als die Maschine SK525 nach London mit röhrenden Triebwerken in den Himmel stieg, schaute Ingrid ihr nach, bis sie ihrem Blick entschwand. Dann ging sie langsam zum Taxistandplatz. Es war zwanzig nach neun vormittags.
Etwas mehr als eine Stunde vorher war Newman mit der Maschine AY873 nach Paris gestartet. Mauno hatte ihn vom
Marski
abgeholt und zum Flughafen Vantaa gefahren.
»Ein toter Russe namens Poluschkin wurde am Fuße eines Felsens im Quellen-Park gefunden«, sagte er zu Newman, als sie sich dem Flughafen näherten. »Sie kennen den Quellen-Park?«
»Ich bin dort spazierengegangen, ja.«
»Interessant ist, daß Tallinn sich über den Unfall nicht allzusehr aufregt. Dieser Poluschkin hatte offenbar nach seiner Rückkehr nach Estland einen Militärgerichtsprozeß zu erwarten. Irgend etwas in Zusammenhang mit Korruption, nehme ich an. Vielleicht wußte er das und tat vergangene Nacht vom höchsten Punkt des Quellen-Parks den Schritt in den Abgrund.«
»Also haben Sie keinerlei Problem?« fragte Newman, als der Finne vor dem Eingang zum Flughafen hielt.
»Oh, Probleme habe ich immer. Aber so ist das Leben. Ich glaube, Sie tun weise daran, für eine Weile Finnland fernzubleiben. Sie werden den Artikel veröffentlichen?«
»Er ist bereits unterwegs. Und ich wünschte, ich könnte etwas länger hierbleiben.«
Bevor er an Bord der Maschine ging, fiel sein Blick auf das Symbol der Finnair, ein schräggestelltes F mit einer von seiner Basis eilends wegstrebenden Linie. Das Symbol war kennzeichnend für das, was Newman hier erlebt hatte. Sein Aufenthalt in Finnland hatte einige Zeit gedauert, doch die Zeit schien wie im Fluge vergangen.
Als das Flugzeug abhob, schaute er aus dem Fenster. Unten dehnte sich im Sonnenlicht der Blick auf Wald, Seen und Fels. Eines Tages würde er wiederkommen.
44
»Ich möchte Sie mit Adam Procane bekannt machen«, sagte Tweed zu Cord Dillon.
Der Amerikaner war am folgenden Tag von Helsinki direkt nach London geflogen. Helene Stilmar hatte dieselbe Maschine genommen, aber sie saßen nicht nebeneinander. In Heathrow wartete ein Wagen, und man hatte Dillon in die alte Stadt Wisbech in East Anglia gefahren.
Seit langem schon ist die Zeit spurlos an Wisbech vorbeigegangen.
Die alten, mehrstöckigen Lagerhäuser am Fluß, aus deren oberstem Stockwerk ein Haken zum Aufziehen der Güter herausragt, modern dahin und sind dringend renovierungsbedürftig.
Tweed
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