Der Überraschungsmann
ey, du nervst!«
»Auch Zauberer. Und Seiltänzer und Trapezkünstler. Die schweben dann beim Abendessen über den Tischen …«
»Also, Krabbe! Jetzt übertreibst du aber.«
»Wieso denn? Auf den amerikanischen Luxusdampfern ist das so! Erst neulich hatten sie ein Akrobatenpaar aus der Ukra ine da, das sich von Seilen heruntergelassen hat. Am Ende schwebte er nur noch an der Ferse über der Hummersuppe, während sie am kleinen Finger über dem Brotkorb baumelte und ihre Haare in die Weingläser hängen ließ …«
»Meine kleine Krabbe übertreibt immer!«, sagte Sven mit einem nachsichtigen Lächeln. »Sie hat eine blühende Fantasie.«
Ich LIEBE sie dafür, hätte ich am liebsten gerufen.
»Woher stammen Sie?«, fragte ich stattdessen. »Von Ihrem Akzent her könnten Sie aus Flensburg kommen.«
»Stimmt genau«, sagte Sven überrascht. »Dass Sie das so genau hören können …«
»Na ja, ich kenne jemanden, der genauso spricht«, wiegelte ich bescheiden ab. »Kennen Sie zufällig Wiebke Nöterich? Sie ist Apothekerin.« Nicht dass ich Sie besonders mag, wollte ich am liebsten sagen. Bei Ihnen klingt dieser Akzent viel sympathischer!
Sven errötete leicht und zuckte mit den Schultern. »Nicht dass ich wüsste …« Verunsichert sah er sich nach Lisa um. Bestimmt war ich ihm jetzt zu nahe getreten mit meiner plumpen Vertraulichkeit.
»Und jeden Abend gibt es im Theater an Bord eine große Show …«, erklärte Lisa den Kindern weiter. Sie schien von unserem Gespräch nichts mitbekommen zu haben.
»Die haben da ein THEATER ?«
»Klar. Und ein Kino, Geschäfte und sogar ein kleines eigenes Krankenhaus.«
»Volker wollte immer mal als Schiffsarzt mitfahren«, sinnierte ich laut.
»Ihr Mann?«
»Ja. Er ist Internist.« Jetzt war ich an der Reihe, stolz zu erröten.
»Wow. Ist ja cool!«, sagte Lisa. »Ein Arzt in der Nachbarschaft.«
»Krabbe!«
»Na ja, man kann ja nie wissen …« Lisas Augen hatten so einen merkwürdigen Glanz bekommen.
»Wir sind kerngesund«, sagte Sven. »Wir werden Ihren Mann bestimmt nicht beanspruchen müssen.«
»Wer weiß?«, entgegnete Lisa verschmitzt.
»Krabbe. Der Mann ist Internist und nicht Gynäkologe.«
Was sollte das denn heißen? War Lisa eventuell …?
»Und du hast da aufm Schiff jeden Abend eine Show gesungen?«, wollte Pauline wissen.
»Eine Show singen – wie blöd bist du denn! IN einer Show singen, heißt das.«
»Genau. So jeden zweiten Abend trittst du da mit dem Ensemble auf, tagsüber hast du Proben oder kümmerst dich um die Gäste, begleitest Landausflüge oder spielst mit denen Bridge.«
»Sie spielen Bridge?« Jetzt musste ich aber laut auflachen.
»Klar. Das sollte man können auf einem Kreuzfahrtschiff.«
»Mein Stiefsohn wird Sie LIEBEN !«
Kapitän Sven hob gespielt empört eine Augenbraue: »Aber hoffentlich nicht zu doll?«
Wir lachten alle. Das war ja so aufregend! Wie GEBACKEN waren diese Nachbarn für uns!
»Erzähl! Erzähl weiter!« Paulinchen rüttelte an Lisas Arm.
»Na ja … Dann bleibst du da ein Jahr oder zwei, und wenn du Glück hast, angelst du dir den Kapitän.« Lisa kraulte nun Sven im Nacken. »Gell, Schatzibussi?«
»Na ja …« Sven war ein bisschen verlegen.
So ein norddeutscher gestandener blonder Hüne und Schatzibussi – das passte irgendwie gar nicht zusammen.
»Ich glaube, es war eher umgekehrt. Ich habe mir dich ge schnappt: die süßeste und frechste Krabbe des ganzen En sembles.«
»Und warum seid ihr jetzt nicht mehr auf dem Schiff?« Charlotte saß da, gespannt wie ein Flitzebogen. »Ich meine, hier ist es doch voll langweilig …«
»Weil wir jetzt verheiratet sind«, erklärte Lisa stolz und ließ einen schmalen Goldreif an ihrem Ringfinger aufblitzen. »Wir wollen eine Familie gründen.«
»Cooooool …«
Wie süß!, dachte ich. Er bringt seine Beute an Land und setzt sie in eine Landhausidylle unweit der schönsten Stadt überhaupt: Salzburg. Mit Blick auf Kühe, Wiesen und Berge. Sie wird sich hier wohl fühlen. Ich werde ihr meine geliebte Stadt zeigen. Auch wenn sie jetzt nicht mehr auf Weltreisen geht, hat sie sich doch die schönste Wahlheimat der ganzen Welt ausgesucht. GENAU WIE ICH , ging es mir durch den Kopf. Fast bekam ich eine Gänsehaut. So ein entzückendes Mädel; ich würde sie unter meine Fittiche nehmen, meine Kinder bekämen eine große Schwester, ich eine kleine … Und wir würden irgendwie alle eine große Familie …
»Kriegt ihr ein Baby?«, fragte Paulinchen mit
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