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Der übersehene Mann: Roman

Der übersehene Mann: Roman

Titel: Der übersehene Mann: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina McKenna
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Bedacht.
    Farmhaus
Duntybutt
Tailorstown
    Liebe Dame,
    ich habe Ihre Anzeige vom 14. Juli 1974 im Mid-Ulster Vindicator gelesen und sie hat mir gleich sehr gut gefallen, denn ich denke, Sie und ich haben viele Gemeinsamkeiten, und aus diesem Grund könnten wir uns vielleicht gut verstehen.
    Ich möchte Ihnen jetzt von mir erzählen, damit Sie das selbst beurteilen können.
    Ich bin ein einundvierzigjähriger Farmer und lebe drei Kilometer außerhalb von Tailorstown in Duntybutt. Meine Farm ist nicht groß, aber auch nicht allzu klein. Auf rund vier Hektar baue ich Kartoffeln und Mais an.
    Ich habe ein paar Tiere, ein Schwein, zwei Ayrshire-Kühe, fünf Schafe, die ich auf den Slievegerrin Bergen grasen lasse, dazu noch eine Ziege und ein paar Hennen für die Eier.
    Ich koche und lese gerne, so wie Sie, und ich mag Musik, vor allem Country- und Westernmusik. Ich spiele gut Akkordeon, manchmal am Abend im Wirtshaus, wohin ich gerne gehe, zur Unterhaltung und wegen der Musik.
    Ich habe außerdem einen schönen Garten vorm Haus, fahre gerne Rad und auf dem Traktor, aber kein Auto. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir zurückschreiben und mir etwas von sich erzählen. Stellen Sie mir alle Fragen, die Ihnen einfallen, denn ich will für den Anfang auch nicht zu viel über mich schreiben.
    Ich freue mich darauf, bald von Ihnen zu hören.
    Mit freundlichen Grüßen
James Kevin Barry Michael McCloone
    Nachdem er diese schwere Aufgabe hinter sich gebracht hatte, schenkte Rose ihm noch etwas Tee ein und schob ihm einen Teller mit Teegebäck hin, das sie mit Butter und Marmelade bestrichen hatte.
    »Gut gemacht, Jamie! Ich lese es mir nur noch mal durch, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung is.«
    Sie setzte die Lesebrille wieder auf und hielt den Brief ans Licht. Er hoffte, sie würde keine Fehler finden.
    »Alles in Ordnung, Jamie. Schöne Handschrift. Gut gemacht. Jetzt bist du zufrieden mit dir, oder nich?« Sie faltete den Brief sauber zusammen und steckte ihn in den Umschlag, den Jamie bereits adressiert hatte.
    »Ja, aber mir is grad was eingefallen, Rose«. Jamie warf einen Blick auf Roses künstlerische Produkte an der Wand. Dort hing eine Collage von Christus mit Haaren aus Makkaroni, einem Bart aus Vermicelli und Augen aus Erbsen. Die Tränenfluten des Retters waren aus Gerstenkörnern. »Na ja, was ich grad gedacht hab, war: Was, wenn sie Protestantin is, Rose? Was soll ich denn dann machen?«
    »Das is doch Unsinn, Jamie«, sagte Rose. Wen kümmert das schon, wenn sie nur ein gutes Herz hat und Rosinenkekse backen kann und das Haus sauber hält?«
    In Rose McFaddens Welt konnte man den wahren Wert einer Frau daran erkennen, wie locker ihr Gebäck und wie weiß ihre Wäsche war.Und ob sie eine Sockenferse stricken konnte, ohne eine Masche fallen zu lassen. Aber Jamie hörte ihrer Beteuerung nur halb zu; er stellte sich alle möglichen unglücklichen Szenarien vor, dachte sich tausend Gründe aus, warum das Vorhaben scheitern musste.
    Sie schwiegen. Rose nippte an ihrem Tee. Auf ihrer Porzellantasse prangte ein grelles Bild vom Damm des Riesen an der irischen Nordküste, über dem eine Möwe flatterte. Dem Amateurkünstler war der Schnabel des Vogels zu groß geraten, während er das Tüpfelchen fürs Auge an der falschen Stelle platziert hatte.
    Sie saßen in den warmen Küchendünsten, die Brühe köchelte vor sich hin und ein leichter Regen prasselte leise gegen die Fenster. Sie hingen ihren Gedanken nach. Jamie beneidete Paddy um diese häusliche Harmonie. Rose dachte: In einer halben Stunde kommen die Perlgraupen und die Rübenwürfel in die Suppe.
    Sie dachte auch, dass Jamie viel sauberer sein musste, wenn er sich mit dieser Frau traf, aber dabei konnte sie ihm helfen. Außerdem war es Zeit, dass er sich mal was Anständiges zum Anziehen kaufte. Wenn er sich ordentlich schrubbte, würde er in einem guten Anzug ganz respektabel aussehen. Eine Frau, die die Zukunft im Auge hatte, würde ihn bestimmt nicht übersehen.
    Als könne er Roses Gedanken lesen, fiel Jamies Blick auf das gerahmte Foto eines jüngeren Paddys, der einen Silberpokal in die Höhe hob, den er 1963 für die ausgezeichneten Zuchteigenschaften seines Bluefaced-Leicester-Mutterschafes bei der Landwirtschaftsausstellung von Balmoral gewonnen hatte.
    »Was is, wenn sie ein Foto haben will, Rose?«, platzte er heraus. »Ich hab keins, und selbst wenn, könnt ichs ihr nich schicken, weil ich könnte doch nich ...« Er brach ab, allein der

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