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Der übersehene Mann: Roman

Der übersehene Mann: Roman

Titel: Der übersehene Mann: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina McKenna
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die Collage eines Fischs aus Milchflaschendeckeln mit einem Fantaverschluss als Auge und einer angeklebten Möwenfeder anstelle der Schwanzflosse.
    »Weißt du«, sagte Rose zu ihm, »ich hab meim Paddy diese Anzeigen gezeigt. Ich sage: ›Dein armer Jamie könnte gut eine Frau gebrauchen, die ihm zur Hand geht, jetzt, wo Mick nich mehr is, und genau hier sind se‹, sag ich und zeig ihm die Zeitung, und er sagt: ›Stimmt Rose, da haste recht‹, sagt er.«
    Sie schaffte Platz auf dem vollgestellten Tisch, schob das Nudelholz und eine Rührschüssel zur Seite und wischte die Oberfläche mit einem feuchten Lappen ab. Auf der Plastiktischdecke hüpften Ferkel über ein Gatter auf einer grünen Weide, ihre aufgedrehten Schwänzchen hoben sich klar vom blauen Himmel ab.
    »Das war echt gut, Rose.«
    Jamie machte es sich bequem, nahm den Kugelschreiber aus seiner Innentasche und zog Briefblock, Umschläge und die Anzeige aus seinem Einkaufsnetz hervor.
    »Ich hole nur noch meine Brille, Jamie. Ohne die bin ich blind wie ein Maulwurf.« Sie zog die Brille aus dem geöffneten Maul eines Porzellanfisches über dem Kamin, hielt die Anzeige auf Armeslänge vor sich ausgestreckt und murmelte laut vor sich hin. »Oh, das hört sich aber nach einer ausgezeichneten Dame an!«
    »Vielleicht ist sie so ausgezeichnet, dass sie nichts mit mir zu tun haben will.« Jamie betrachtete die Plastikschweinchen auf der Plastikweide. Ihn deprimierte die Vorstellung, dass er zurückgewiesen werden konnte, bevor er überhaupt etwas unternommen hatte.
    »Unsinn, Jamie! Es gibt viele Frauen, die ihre Weisheitszähne dafür geben würden, dich zum Ehemann zu bekommen! Und ich sag das jetzt nich einfach nur so. Bei Gott, es is die Wahrheit.«
    Jamie fragte sich, was Weisheitszähne damit zu tun haben sollten, hatte aber den Eindruck, dass Rose ihm ein Kompliment machen wollte. Er bekam nur selten etwas Nettes zu hören, und noch seltener von einer Frau. Er rieb sich das Ohr und glühte vor Verlegenheit. Eigentlich wollte er Rose für das Kompliment danken, aber er dachte, wenn er es täte, sähe es vielleicht so aus, als würde er ihr zustimmen. Also hüstelte er und sagte: »Na ja, nun«, und sah zu dem Druck auf der absplitternden Holzverkleidunghinüber: ein Bild von der Jungfrau Maria, die eine Schlange unter ihrem vollkommenen, gesegneten Fuß zertrat.
    Rose zückte den Kuli.
    »Jetzt mach ich erst mal einen Entwurf, Jamie. Dann kannst du es entweder abschreiben oder wenn du willst, mach ich das auch. Mir ist beides recht.«
    »Nee, Rose, wenn du es aufschreibst, dann schreib ichs ab. Ich will nich, dass du noch mehr Arbeit hast als ohnehin schon.«
    »In Ordnung, Jamie.« Rose begann zu schreiben. »Gleich nach deiner Adresse schreibe ich ›Liebe Dame‹.«Rose schaute ihn über ihre Brille hinweg an. »Denn weißte, Jamie, eine Frau will immer eine Dame genannt werden, auch wenn sie keine ist. Womit ich natürlich nich gemeint hab, dass diese Lady hier keine Dame is, denn ich bin sicher, dass sie eine is, aber weißte, es is immer besser, auf der sicheren Seite zu sein.«
    Nachdem Rose einige Minuten geschrieben hatte – wobei sie ab und zu einen Blick himmelwärts für Eingebungen warf –, war sie fertig. Jamie folgte den Buchstaben, die aus ihrer großen Hand flossen. Rose las den Brief laut vor und Jamie nickte beifällig. Als sie fertig war, kratzte er sich verwundert am Kopf.
    »So was Gutes hab ich noch nie gehört, Rose! Genau so isses. Gott, wie gut kannst du schreiben. Weißt du, ich würd von jetzt bis Weihnachten darüber brüten und sowas würd ich doch nich hinkriegen.«
    »Ach, vielleicht doch, Jamie.«
    Rose strahlte und reichte ihm das Blatt. »Gut, dass es dir gefällt. Wenn noch was fehlt oder du etwas anders haben willst, lass es mich wissen.« Und damit stand sie auf. »Und jetzt mach ich uns eine gute Tasse Tee, während du das Ganze abschreibst, Jamie.«
    »Gute Idee, Rose.«
    »Ach, und Jamie, es wär vielleicht nich verkehrt, wenn du dir vorher die Hände schrubbst, denn du willst den Brief ja nich dreckig machen, das sieht dann ja nich so gut aus.«
    Jamie betrachtete seine Hände, auf denen sich mehrere Tage alter Schmutz aus Kuhstall und Scheune abgelagert hatte, gestand sichein, dass Rose recht hatte, und wusch sich gründlich die Hände über dem Küchenwaschbecken mit Bürste und Seife. Als er sich schließlich wieder am Tisch niederließ, schrieb er mit großer Sorgfalt und

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