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Der Umfang der Hoelle

Der Umfang der Hoelle

Titel: Der Umfang der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Konsistenz der Keksscheibe. Als beiße man in einen Saturnring.
    Nun, es hatte sich ausgekekst. Nicht, weil der Vorrat zu Ende ging, sondern weil Reisiger beschlossen hatte, diese vermeintliche Lebenserhaltungsmaßnahme einzustellen. Seinem Ekel recht zu geben. Keine Kekse mehr. So wenig wie von der grünlichen Paste, die man sich aus der Tube in den Mund zu drücken hatte, als verspeise man den Kot eines Wurms. Sollte doch der nun obdachlos gewordene Dämon sich dieser Genüsse bedienen. Leo Reisiger hatte anderes vor, als sich einen Magen zu verderben, auf den es ja nun nicht mehr ankommen würde. Denn gerade einen solchen, überflüssig gewordenen Magen auch noch verderben zu wollen wäre absurd gewesen. Als schlage man Löcher in ein untergehendes Boot. Oder trage Geld in eine Bank, die soeben überfallen wird.
    Worauf es Reisiger freilich durchaus ankam, war der Aspekt des Erfrierens. Beziehungsweise der Ort, an dem dies geschehen würde. Und das Innere der Kapsel kam nun mal nicht für ihn in Frage, auch wenn seine Querschnittslähmung dies nahegelegt hätte.
    Wie die meisten Menschen, die ihr Ende in deutlicher Nähe wahrnehmen, beschäftigte Reisiger die Vorstellung des Anblicks, den er im Moment des Auffinden seiner Leiche bieten würde. Darum auch war es vielen Leuten so sehr zuwider, in einem Bett, erst recht in einem Krankenhausbett zu versterben. Man machte dort selten eine gute Figur. Vielleicht weniger der Körperhaltung wegen, die sich ja im Liegen gar nicht so unelegant ausnahm, als auf Grund des Ortes, der Häßlichkeit und Unförmigkeit der Betten. Es war nun mal ein Faktum, daß man in einem verunfallten Sportwagen sitzend, so demoliert der Wagen, so schrecklich zugerichtet man selbst sein mochte, einen sehr viel interessanteren Eindruck machte. Und das war kein geringes Argument. Es war mitnichten unbedeutend, wie wer starb und welche atmosphärische Note er hinterließ. Das war wie die Signatur unter einem Bild. Eine solche Signatur konnte eine Menge retten und eine Menge verderben. Gerade Reisiger, dieser uneingestandene Kunstgeschichtler, wußte das nur zu gut.
    Es war ihm also sehr gelegen, solange er dazu noch in der Lage war, die Kapsel zu verlassen. Weshalb er sich zunächst in den Überlebensanzug kämpfte und die noch zu einem guten Drittel gefüllte Ginflasche über der linken Brust unterbrachte, während er die rechte Seite mit jenem schmalen Malcolm-Lowry-Bändchen panzerte. Selten war ein Mann besser gewappnet gewesen.
    Auf der Sitzbank ließ Leo Reisiger eine kurze Notiz zurück, die er – in Ermangelung von etwas so Simplem wie Papier an Bord – auf der herausgerissenen Vorsatzseite des Vulkans aufgeschrieben hatte. Selbstverständlich mit jenem großartigen, höchstpersönlichen Kugelschreiber, der zusammen mit dem Gin und dem Büchlein sein privatreligiöses Tabernakel füllte.
    Die Nachricht, die er auf diese Weise deponierte, verwies darauf, daß es sich bei dem guten Dr. Jakobsen um niemand anders als Siem Bobeck handeln würde, welcher auf Barbara’s Island seine Experimente fortgeführt habe und sich noch immer im Besitz eines Vorrats an Regina befinde. Beziehungsweise seine Schwester, mit der zusammen er nach Isortoq unterwegs sei.
    Es stehe außer Zweifel, daß Bobeck die Welt mit dieser Droge zu beglücken denke und sich von keinem gegenteiligen Argument beeindrucken lasse. Der Mann müsse, wenn dies die grönländische Wildnis nicht schon erledigt habe, aus dem Verkehr gezogen werden.
    Kurz überlegte Reisiger, seine Frau und seine Kinder zu grüßen. Aber das war ihm dann doch zu billig: Familiäre Dinge hatten auf einem solchen Zettel nichts verloren. Umso mehr, als er kein Selbstmörder war, der einen Abschiedsbrief hinterließ.
    Er hockte nun auf dem Boden, die Wärme des Anzugs gleich der trockenen Luft alter Dachböden wahrnehmend, und schob die Ausstiegsluke so weit nach oben, daß es ihm möglich wurde, den gehäuften Schnee zur Seite zu drücken und zu versuchen, nach draußen zu gelangen. Dabei fühlte er sich weniger gelähmt als festgebunden. Als klebten seine Frittatenbeine an der Tomate fest. Aber er schaffte es. Er stemmte sich ein wenig in die Höhe, wuchtete seinen Oberkörper ins Freie und schlängelte und schlitterte zur Seite. Seine Beine schnalzten hinterher wie ein hartes Gummiband.
    Diese Aktion hatte ihn fürs erste beträchtlich erschöpft. Der Wind trommelte gegen sein Gehör. Die Luft schmeckte nach kleinen, geschliffenen Diamanten. Sie

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