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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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zusammengefaltet auf dem Sofa gelegen.
    Vor den Fenstern war es still.
    Und in dieser Stille stahl sich ein Traum in den Schlaf des Volkskontrolleurs. In diesem Traum schlugen blutrünstige Japaner japanischen Mädchen die Köpfe ab, und sogleich trugen andere Japaner die abgeschlagenen Köpfe und enthaupteten Frauenkörper zu großen Metallfässern. Sie warfen sie in diese Fässer. Aus einigen Fässern schlugen bereits Flammen. Und von einem Fass zum anderen liefen mit Eimern voll Dieselöl der Kremldichter Bemjan und Kommandant Smalzew …
    Da wälzte sich Dobrynin im Schlaf hin und her. Die wattierte Decke flog zu Boden. Doch der Traum ging weiter, und nun erblickte er zwischen den Japanern schon seine Frau Manjascha, die den Sohn Petka fest an der Hand hielt, einen bald erwachsenen, dunklen, dicklippigen jungen Burschen, groß wie seine Mutter. Aber die Japaner blickten ehrerbietig auf die Mutter mit dem Sohn. Nun brachten sie viele Russen herbei, stellten sie in einer Reihe auf und erfragten bei Manjascha etwas durch einen Übersetzer. Manjascha schritt die Reihe ab und zeigte mit dem Finger auf mehrere Menschen, die sogleich davongeführt und enthauptet wurden. ‚Ah‘, begriff Dobrynin im Schlaf, ‚das sind die verbannten Kulaken, die Manjascha in der Evakuierung verhöhnt haben!‘ Danach schlugen die Japaner auch noch allen übrigen aus der Reihe die Köpfe ab. Der Henker war sehr erschöpft und fuhr lustlos mit den Fingern über die stumpf gewordene Schneide seines breiten Beils …
    Pawel Aleksandrowitsch erwachte, weil ihn der Kopf schmerzte. Vor dem Fenster war es bereits dunkel. Er stand auf und schaltete das Licht ein.
    Aus der Küche klang der Kuckucksruf der Uhr herüber.
    Er ging hinaus, um sich zu waschen.
    Und hier fiel ihm Waplachow ein, und er öffnete schnell die Tür zur Vorratskammer.
    „Dmitrij, bist du da?“
    „Ja“, antwortete der Urku-Jemze schwach.
    „Na, komm raus!“
    Sie setzten sich an den Tisch in der Küche. Dobrynin setzte Tee auf, öffnete eine weitere Konserve und teilte sie auf für zwei.
    „Was ist dir denn nun passiert?“, fragte er seinen Ge-hilfen.
    Der schwieg weiterhin.
    „Ich sage es doch niemandem!“, versprach der Volkskontrolleur. „Hab keine Angst!“
    „Haben Sie eine Porträtgalerie des ZK ?“, sagte Waplachow schließlich.
    „Bestimmt … Soll ich suchen?“
    Dmitrij nickte.
    Dobrynin ging in sein Arbeitszimmer, wanderte suchend mit dem Blick über die Regale, und da entdeckte er in einer Ecke des Arbeitszimmers ein halb zusammengerolltes Plakat. Er rollte es auf, und Dutzende kleiner Porträtfotos sahen ihn an, über denen in großen roten Buchstaben geschrieben stand „Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki)“. Er rollte es wieder ein, trug das Plakat in die Küche und reichte es Dmitrij.
    Waplachow breitete das Plakat mit zitternden Händen auf dem Tisch aus.
    „Und?“, fragte Dobrynin, schon ein wenig gereizt dar­über, dass Dmitrij sich so störrisch zeigte. Außerdem wollte sein Kopfweh auch einfach nicht vergehen.
    „Das ist mein Volk …“, sagte Waplachow fast flüsternd.
    „Was meinst du?“, fragte der Volkskontrolleur verständnislos und sah seinem Gehilfen sehr scharf ins Gesicht.
    „Das ist mein Volk …“, wiederholte Waplachow noch einmal ebenso leise.
    Eine Weile schwieg Dobrynin, während er zu begreifen versuchte, was Dmitrij gesagt hatte.
    „Das sind Urku-Jemzen …“, flüsterte Dmitrij, als er die reglose Bestürzung Dobrynins sah.
    „Wie? Alle?“, entrang es sich Pawel.
    Dmitrij nickte. Dann seufzte er: „Alle!“
    Dobynin erhob sich ein wenig, beugte sich näher über die Reihen der Fotos, vertiefte sich hinein und versuchte sie dann unbemerkt mit Waplachow zu vergleichen. Natürlich hatten sie alle irgendetwas Gemeinsames.
    Dobrynin setzte sich wieder hin. Aus irgendeinem Grunde fürchtete er sich auf einmal.
    Der Teekessel kochte, doch es schaltete ihn niemand aus.
    „Du hast doch gesagt, sie seien fortgegangen, um das Glück zu suchen“, sagte der Volkskontrolleur schließlich.
    „Ja“, antwortete Dmitrij. „Sie sagen, dass sie es schon gefunden haben.“
    Abermals herrschte Schweigen in der Küche. Nur der Teekessel pfiff und zischte und stieß Dampf an die hohe Decke, der sich dort verlor, die Küchenluft aber mit warmer Feuchtigkeit erfüllte.
    „Auch Twerin?“, fragte Dobrynin plötzlich.
    „Nein, er ist kein Urku-Jemze“, sagte Dmitrij. „Aber er stört dort

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