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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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niemanden …“
    Wieder kam Schweigen auf. Endlich nahm Dobrynin den Teekessel vom Herd, brühte Tee auf, rollte das Plakat mit der Porträtgalerie des ZK zusammen und trug es in sein Arbeitszimmer zurück.
    Die Uhr rief acht Mal „kuckuck“.
    „Warum ist Marija Ignatjewna bloß nicht da“, bemerkte Pawel Aleksandrowitsch niedergeschlagen.
    Dmitrij schwieg.
    Zwei oder drei Stunden verstrichen so. Danach verging noch einmal etwas Zeit, bis schließlich ein Automobil auf der Straße vor dem Haus hielt.
    Es klingelte an der Tür.
    Der Fahrer war gekommen und erklärte, sie müssten nun zum Flugplatz fahren. Er nahm einen der Militärsäcke mit der Kleidung und schaffte ihn zu seinem Wagen hinunter.
    Dobrynin ging noch einmal in sein Arbeitszimmer und holte seinen Schultersack. Er zog auch wirklich dort noch das Fell-Buch heraus, legte es auf den Tisch und malte mit Bleistift auf ein Blatt Papier: „Bitte an Woltschanow übergeben“. Nachdem er die Notiz auf die Felle gelegt hatte, nahm er den Schultersack, schaltete das Licht aus und lief hinaus.
    Wie sie durch das menschenleere Moskau fuhren, begann es zu tröpfeln. Zwei Scheibenwischer krochen über die Windschutzscheibe ihres Automobils und rieben die Wassertropfen fort.
    Dobrynin saß neben dem Fahrer. Dmitrij hatte sich hinten hineingezwängt, nachdem er die Säcke mit der Kleidung, die den größten Teil der Sitzbank einnahmen, zur Seite geschoben hatte.
    Es war ein langer Weg.
    Als sie endlich eintrafen und vor der Dobrynin wohlbekannten gestreiften Holzbude stehen blieben, hatte sich das Wetter vollständig verschlechtert: der Wind heulte, irgendwo grollte Donner, wenn auch keine Blitze zu sehen waren, Wasser floss in einem ununterbrochenen Strom vom Himmel.
    Sie ließen die Sachen im Auto zurück und eilten alle in die Bude. Dort wärmten sie sich ein wenig auf. Der Flieger und der Kommandant des Flugplatzes schenkten ihnen nicht nur Tee, sondern auch Trinkspiritus ein.
    Ein Gespräch entspann sich nicht. Sie saßen schweigend und warteten auf etwas, vielleicht darauf, dass das Wetter sich besserte.
    Dobrynin überlegte, ob Woltschanow, wie beim letzten Mal, wohl zu seinem Abschied kommen würde.
    Der Wind legte sich gegen Morgen.
    „So, los geht’s!“, verabschiedete sie der Kommandant des Flugplatzes. „Ihr könnt fliegen!“

Kapitel 20
    Es regnete. Es war ein widerlicher und klebriger Niesel­regen. Mark Iwanow sah ihn nicht – in einer Hand hielt er den Käfig im Futteral und mit der anderen klammerte er sich an Parlachow, und so bewegte er sich über das Gelände der unbekannten Fabrik vorwärts zu ihrem Auftrittsort.
    Parlachow war schlechter Laune und warnte den Künstler diesmal nicht vor den Hindernissen, die die Augenbinde ihm verbarg, und so stolperte Mark hier und da und hing dann schwer am Arm seines Hüters. Der Hüter begriff allerdings schnell, dass er, wenn er den Künstler nicht vor Pfützen und Stufen warnte, sich das Leben selbst schwer machte. Danach überwand Mark den restlichen Teil des unsichtbaren Weges ohne weitere unerfreuliche Erfahrungen.
    „Da sind wir!“, teilte Parlachow leise mit.
    Im Raum hörte man das Atmen der Anwesenden.
    Papagei Kusma sprang mit Hilfe des Hüters aus dem Käfig auf Marks rechte Schulter hinüber.
    „Los, fang an!“, flüsterte ihm Parlachow ins Ohr.
    „Trag vor, Kusma!“, kommandierte Mark dem Vogel.

    „Der Rest der Kerze brennt noch klein“,

    begann der Papagei.

    „Schon tobt der nahe Kampf.
    Mein Freund, komm, schenk ein Glas uns ein,
    Von unsrer Frontration!
    Nicht leer vergeht die Zeit uns hier,
    Und unter Freunden reden wir
    Von Herz zu Herz uns warm.
    Wir waren lang nicht mehr Zuhaus …“

    Die Schichtpause war nach fünf Minuten zu Ende. Über den Holzboden trampelten einige Dutzend Paar Schuhe. Jemand rief Parlachow für einen Augenblick fort. Mark stand da und wusste nicht, was er tun sollte. Sein Bauch tat weh, und gern hätte er sich hingesetzt. Die rechte Schulter schmerzte, ermüdet von Kusmas festem Krallen-griff.
    Mark beschloss, sich tastend auf die Suche nach einem Stuhl zu machen, und vorsichtig, mit ausgestreckten Armen, ging er los. Er versuchte die Stirn zu runzeln, damit die Binde ein wenig hochrutschte, doch das gelang nicht – Parlachow hatte sie zu gut fest gebunden.
    Er tat noch einen Schritt – und da überschlug sich plötzlich die Welt und bunte Funken wirbelten um ihn herum.
    Jemand sprang herbei, packte Mark am Ellenbogen, wollte ihm helfen, auf

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