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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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recht dicken Schicht Staub vorfand. In der Wohnung war es wegen der einige Jahre lang nicht geputzten Fenster dämmrig. Nachdem er den Käfig mit Kusma auf den Küchentisch gestellt hatte, füllte Mark das Waschbecken mit Wasser – aus den Hähnen kam lediglich kaltes, aber es lief ja! –, nahm einen Lappen und ging als Erstes ins Zimmer, um die Fenster zu putzen.
    Danach wischte er Staub und nahm in einem Sessel Platz. Die Fenster waren geöffnet, der stickige Geruch des geschlossenen Raumes entfernte sich durch das Lüften schnell.
    Auf der Straße ertönten deutsche Rufe.
    Dann hörte man von oben, vom Himmel, das Surren eines tief fliegenden Flugzeugs.
    Etwas flüsterte Mark zu, dass das Leben nach dem Krieg anders werden würde als jenes vor dem Krieg.
    Nach einer Weile wählte er Urluchows Nummer.
    „Hallo? Urluchow am Apparat!“, ertönte die so vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung. „Sprechen Sie!“
    „Guten Tag … Hier ist Mark Iwanow …“
    „Aha! Willkommen! Wie geht es Kusma?“
    „Es geht ihm gut … Wir sind heute erst eingetroffen … Danke für Ihre Hilfe!“
    „Wie geht es Kusma nach der Verwundung? Wie geht es dem Flügelchen?“
    „Alles ist gut … Ich kümmere mich um ihn … Wissen Sie, Genosse Urluchow, ich bin gerade erst in die Wohung zurückgekommen, also, ich und Kusma … Hier gibt es nichts zu essen, und jetzt weiß ich nicht, wie …“
    „Aha, das meinen Sie, Genosse Iwanow. Machen Sie sich keine Sorgen, ich schicke Ihnen etwas mit einem Fahrer, das heißt, ich schicke Ihnen, was wir finden, für den ersten Tag, ich schicke Ihnen auch Karten für Brot und Anderes … für zwei, natürlich …“
    „Tausend Dank, Genosse Urluchow. Vielen Dank!“
    „Ruhen Sie sich jetzt ein wenig aus, bald gibt es ein wichtiges Konzert, bei dem Sie auftreten sollen, aber das werde ich Ihnen noch mitteilen. Fürs Erste ruhen Sie sich aus, und rufen Sie an, wenn etwas ist!“
    Mark wollte sich irgendwie möglichst höflich verabschieden, aber vom anderen Ende der Leitung tönte ihm bereits kurzes Tuten entgegen. Er legte den Hörer auf die Gabel des schwarzen, glänzenden Apparates und lächelte erschöpft.
    Es tat gut, dass es Menschen um ihn gab, die bereit waren, zu helfen.
    Mark erinnerte sich daran, wie unzufrieden er gewesen war, als er erfuhr, dass er einen Instrukteur haben würde. Einen Instrukteur aus dem ZK , der seine Auftritte mit Kusma im ganzen Sowjetland organisierte. Und wie zornig er gewesen war, als er das erste Mal gehört hatte, dass der Papagei anstelle von Humor und Satire ein ernstes Repertoire würde lernen müssen! Ja, und nun hatte das Leben endgültig gezeigt, dass er im Unrecht gewesen war. Was hätten er und Kusma in Kriegszeiten mit Verslein über Hochstapler und Defraudanten gemacht? Wer hätte schon diese Verslein an der Front oder in der Etappe gebraucht?
    Unerwartet klingelte es an seiner Wohnungstür. Der Fahrer Urluchows war gekommen, brachte ein Einkaufsnetz mit Essen und bereits registrierte Brot- und andere Marken. Er händigte Mark alles an der Tür aus, nickte und eilte die Treppe hinunter.
    In dem Einkaufsnetz fanden sich Graupen, Hirse, Reis, Tee, Zucker, Ersatzkaffee, Salz, Streichhölzer und eine Büchse Schmorfleisch mit ausländischem Etikett.
    Noch einmal dankte Mark Genosse Urluchow in Gedanken, dann zündete er den Gasherd an und stellte den Teekessel auf.
    Als er die Lebensmittel, die man ihm gebracht hatte, in das Küchenkästchen räumte, fiel ihm auf einmal die Aufschrift auf, die mit Bleistift auf dem Päckchen mit Hirse angebracht war. Er hob das Päckchen näher an die Augen, und sofort taten die Augen ihm weh. Er hielt sie eine Zeitlang geschlossen, dann las er, ans Fenster tretend, dennoch, was dort geschrieben stand: „Subrin tam kar man gum bastan syrvat“. Die Buchstaben waren vollkommen russisch, doch die Worte ergaben keinerlei Sinn, und es kam Mark der Gedanke, dass er eine Codierung vor sich hätte. Er strengte sein Gedächtnis an und erinnerte sich an alles, was er über Spione und den Kampf gegen sie wusste. Und er begriff, dass er zum NKWD gehen und dort davon erzählen musste. Aber er wollte nicht dorthin. Mark überlegte: Wie konnte er seine Staatsbürgerpflicht erfüllen und doch einem Besuch im NKWD entgehen? Vielleicht sollte er das Päckchen mit der Post schicken?
    Der Teekessel kochte. Nachdem er sich eine Tasse überbrüht hatte, ging Mark in sein Zimmer und setzte sich wieder in den Sessel. Er

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