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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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neuerstehen, ließen den Alltag und die Feiertage wieder aufleben, die Städte und Dörfer, die Fabriken und Weinberge.
    Ende Juli betrat der Direktor der Fabrik, Genosse Fomitschew, den Raum der Volkskontrolle.
    Dobrynin und Waplachow beendeten gerade die Überprüfung einer Partie aufblasbarer Rotarmisten. Um das Rechnen zu erleichtern, enthielt jede Partie hundert Einzelstücke, so ergab sich aus der Anzahl der wegen Mängeln ausgesonderten Stücke sogleich die Menge an Ausschuss in Prozent. Diese scheinbar einfache Sache hatte sich Waplachow ausgedacht, doch die Idee hatte dem Direktor so gut gefallen, dass er Waplachow zum Rationalisator ernannte, ihm eine Urkunde aushändigte und die Idee in der gesamten Fabrik einführte.
    „Na, wie viel Prozent Ausschuss gibt es?“, fragte der Direktor, wobei er einen Blick auf einige aufgeblasene Rotarmisten warf, die schlaff auf dem Tisch lagen.
    „Siebzehn“, antwortete Dobrynin.
    „Ziemlich viel …“ Der Direktor wiegte den Kopf. Dann blickte er Dmitrij nachdenklich an und sagte: „Genosse Waplachow, du könntest dir da vielleicht etwas ausdenken …“
    Als der Direktor gegangen war, schafften es die Kon­trolleure noch, siebenundzwanzig Rotarmisten zu über­prüfen. Zweiundzwanzig überstanden die Prüfung, fünf hingegen begannen Luft zu verlieren, und hier umrandeten Dobrynin und Waplachow, nachdem sie die Stellen, an denen Luft herauskam, festgestellt hatten, diese mit roter Wachskreide.
    „Weißt du“, sagte der Urku-Jemze, während er seine gewöhnliche Kleidung wieder anzog. „Wir könnten den Ausschuss ja verringern.“
    „Wie denn?“
    „Wenn man uns Gummikleber gibt, kleben wir die Löcher, die wir finden, selber zu, dann gibt es überhaupt keinen Ausschuss.“
    Dobrynin dachte nach.
    „Komm, wir gehen gleich zu Fomitschew und erzählen ihm davon“, schlug er schließlich vor.
    Der Direktor saß in seinem Arbeitszimmer und verglich die letzten Daten mit dem angestrebten Plan.
    Als er von Waplachows neuem Vorschlag hörte, freute er sich und holte im nächsten Augenblick zu Dobrynins und Waplachows Verwunderung eine Karaffe und Gläser aus dem Safe.
    „Natürlich“, sagte er, während er aus der Karaffe eine durchsichtige Flüssigkeit in die Gläser goss. „Ich werde befehlen, dass ihr jeden Tag frischen Gummikleber auf dem Tisch haben sollt. Wie man damit klebt, wisst ihr ja. Einfach auf die fehlerhafte Stelle auftragen, und er trocknet sofort … Das ist ja so einfach! Warum bin ich bloß nicht selbst darauf gekommen?“
    Dobrynin stellte sich selbst diese Frage ebenfalls. Er fand jedoch keine Antwort. Wenigstens keine, die ihm gefallen hätte. Es sah so aus, als sei der Urku-Jemze tatsächlich klüger. Aber im Grunde kränkte ihn das nicht sehr.
    Dobrynin nahm ein Glas in die Hand und hob es zum Mund, Wodkaduft stieg ihm in die Nase.
    „Warte noch!“, hielt der Fabrikdirektor ihn auf. „Der Anlass ist noch ein anderer.“
    Dobrynin stellte das Glas auf den Tisch zurück und blickte ihn verwirrt an.
    „Eigentlich war ich ja heute aus diesem Grunde bei euch, aber dann habe ich beschlossen, euch nicht von der Arbeit abzuhalten … Doch wo ihr nun selbst zu mir gekommen seid …“ Der Direktor zog einige Bögen Papier aus der Schreibtischschublade. „Es sind neue Instruktionen für die Volkskontrolleure gekommen. Hier, lest.“
    Dobrynin nahm das Dokument aus Fomitschews Händen und begann zu lesen. Je weiter er las, desto bleicher wurde sein Gesicht.
    In dem Dokument wurde festgestellt, dass alle Volks­kontrolleure des Sowjetlandes jetzt nur noch dem dafür bevollmächtigten Genossen Swinjagin unterstellt seien, ihren Lohn allerdings am Arbeitsplatz erhielten; der Posten des Gehilfen des Volkskontrolleurs werde abgeschafft, und alle Gehilfen würden fortan vollwertige Volkskontrolleure. Verbindung mit dem Kreml aufnehmen könnten sie nur noch in Notfällen, in der übrigen Zeit sollten sie bis auf besondere Verfügung an dem Platz arbeiten, an den man sie abkommandiert hatte. Es folgte noch die Beschreibung weiterer Veränderungen im Leben der Volkskontrolleure, aber das ging bereits über Dobrynins Kräfte, und er reichte das Dokument weiter an Waplachow.
    „Verdrießt dich das etwa?“, wunderte sich Fomitschew. „Es ist doch zum Besseren!“
    „Wieso zum Besseren?“, fragte Dobryin.
    „Alles, was geschieht, ist zum Besseren“, antwortete Fomitschew.
    Auf einmal merkte Dobrynin, dass die Empörung, die beim Lesen des Dokumentes

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