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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Vielleicht wehte nur eine Brise vom Fluss herüber, doch vielleicht kam es auch daher, dass es dort bei Sachar und Pjotr wegen des ständig brennenden Räucherofens warm war im Häuschen.
    Da erhob sich der Engel und stieg den Pfad hinab.
    Schon viele Male war er dorthin gegangen, und manchmal saßen sie die ganze Nacht am Tisch. Manchmal zündeten sie eine Kerze an, manchmal die Öllampe, die an einem Haken von der Decke hing. Und sie redeten und redeten. Hin und wieder schlief der Engel auch dort.
    Nicht, weil es ihm unter den gewöhnlichen Siedlern langweilig gewesen wäre, die dichtgedrängt zusammen in ihren Kuhställen lebten, aber reden wollte er mit ihnen nicht, und sie redeten ja auch selbst nicht mit ihm, dem Engel. Sie organisierten ihr Leben, im Sommer bereiteten sie sich auf den Winter vor, und im Winter warteten sie auf den Sommer. Nur Katja und der bucklige Buchhalter kümmerten sich, jeder auf seine Weise, um die Zukunft und dachten über allerlei Verbesserungen nach.
    „Oh“, sagte Ofensetzer Sachar, als er die Tür öffnete und auf der Schwelle des Hauses den Engel erblickte. „Gut, dass du gekommen bist, Pjotr und ich haben uns hier nämlich ein wenig gezankt … Komm herein!“
    Pjotr saß auf einem Hocker am Tisch, den Rücken gekrümmt, und schaute auf einen Riss in der breiten Tischplatte vor sich. Er schaute, als wollte er seinen Blick durch diesen Riss und weiter treiben.
    Sie setzten sich.
    Augenblicklich begann der Engel sich wohl zu fühlen. Die Wärme hüllte ihn ein, es atmete sich hier anders, ein süßlicher Geruch legte sich einem von selbst auf die Zunge, wodurch es zu einem seltsamen Betrug des Magens kam: Es war, als erinnere der Geruch an den Geschmack einer gegessenen Speise.
    „Wir haben uns hier … wir hätten uns fast noch angebrüllt“, begann Sachar wieder, als er schon auf seinem Hocker Platz genommen hatte. „Gut, dass du gekommen bist, denn zu zweit lässt es sich gut träumen, aber ernsthaft reden geht nicht!“
    „Worüber habt ihr euch denn gestritten?“, fragte der Engel.
    „Über die Liebe“, sagte Sachar. „Siehst du, ich sage, die Liebe, das ist irgendwie alles, das Leben, das Glück, die Wärme. Aber er“, und Sachar wies mit dem Kopf auf den Einhändigen, „redet nur von einem! Er sagt, dass die Liebe wegen den Frauen entsteht! Verstehst du?“
    Der Engel nickte und dachte nach.
    „Sagen wir mal, ich zum Beispiel“, fügte Sachar hinzu. „Ich liebe das Ofenbauen, und was haben die Frauen damit zu tun? Weißt du, wenn du dir so einen Rauchabzug mit allen Windungen ausdenkst, ihn dann baust und auf einmal siehst, dass es etwas geworden ist, er zieht gut, er wärmt … Also, mit was kann man so ein Gefühl vergleichen? Hm?“
    Pjotr seufzte schwer, warf Sachar einen gekränkten Blick zu und seufzte abermals.
    „Was hattest du in deinem Leben denn von den Frauen?“, wandte Sachar sich an Pjotr. „Was ist denn das mit deiner Glaschka? Nach dir hatte sie schon drei Rotarmisten! Was für eine Liebe ist denn das! Das ist doch reiner Verrat. Etwas anderes ist es mit einem Ofen – ein guter Ofen steht fünfzig, vielleicht auch hundert Jahre, wenn man ihn menschlich, mit Liebe behandelt. Und wenn mal ein Stein rausfällt, gehst du hin und setzt ihn wieder rein, du reparierst ihn, und er heizt weiter …“
    Obwohl der Engel nicht wollte, dachte er doch an Katja. Auch wenn ihm klar war, dass es zwischen ihnen ja keinerlei Verrat gab, denn sie hatten ja nur ganz wenig Gemeinsames gehabt – eine unsichtbare innere Wärme, Blicke und Gespräche. Und noch diesen einen Abend am Fluss, der irgendwie einen Schlussstrich gezogen hatte. Das war etwas anderes als bei Glaschka und Pjotr, die hatten ja sogar ein Kind.
    „Na, was schweigst du so!“, bemerkte Sachar ungeduldig. „Oder denkst du auch an die Frauen? Ist denn am Ende etwas draus geworden bei dir und der Lehrerin, hm? Aber sie singt doch jetzt abends mit dem Harmonikaspieler, hier, am Fluss …“
    Der Engel geriet in Verwirrung, als er das hörte. Es hatten, dachte er, doch nicht etwa alle seinen Zustand gesehen, es redete doch nicht etwa jemand über ihn und Katja?
    „Ja, wenn alle Menschen wie die Sterne wären, so rein, dann bräuchte man nicht zu streiten“, sagte Sachar, als der Engel sich nicht am Gespräch beteiligte. „Wenn du in den Himmel schaust, da ist jeder an seinem Platz, da gibt es kein Hin und Her, dass der eine Stern zuerst zum einen, und dann plötzlich zum anderen …!

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