Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
Vom Netzwerk:
war, doch in der Ferne erkannte der Volkskontrolleur den aus unbekannten Weiten zurückkehrenden Waplachow. Er wartete, bis er bei ihm war, dann fragte er: „Wo treibst du dich herum?“
    Waplachow sah aufgeregt aus. Der Rausch hatte an­scheinend seinen Kopf verlassen, und sein Gesicht hatte eine frische Farbe angenommen.
    „Ich habe mit einer alten Frau von hier gesprochen“, sagte er. „Petrow ist kein Russe! Sie weiß es.“
    „Woher weiß sie das?“, fragte Dobrynin erstaunt.
    „Sie sagt, er ist sehr freundlich, er schenkt ihr oft Essen …“
    „Na, hör mal, Bruder, was soll das heißen!“, empörte sich der Volkskontrolleur. „Ein Russe ist demnach böse?! Und du wolltest doch selbst Russe werden!“
    „Das wollte ich …“, nickte der Urku-Jemze. „Aber die Alte hat gesagt, dass hier früher Russen waren, die schenkten einem nichts, sie nahmen nur weg … sie sagten ‚Burajsy!‘ und nahmen den Leuten Sachen weg …“
    Dobrynins Miene verfinsterte sich. Ihm wurde unbehaglich im Kopf und im Herzen. Er dachte daran, dass auch er dieses Wort auf dem Markt im Norden gesagt hatte – so hatte es ihn der Komsomolze Zybulnik gelehrt … Wobei es diesen Komsomolzen auf russischer Erde schon nicht mehr gab.
    „Na gut“, brummte der Kontrolleur unbestimmt. „Hier habe ich etwas Merkwürdiges gefunden. Du sollst es dir anschauen.“
    Dobrynin schritt durch die offene Tür des Magazins.
    Drinnen war es dunkler als draußen, und dem Kontrolleur wurde nun klar, dass sie in diesem Halbdunkel nichts erkennen würden.
    „Weißt du, was wir machen“, sagte er. „Wir nehmen diese kleinen Felle mit nach Hause, und dort schaust du sie dir mal bei Licht an!“
    Dobrynin nahm den wieder mit der Lederschnur verschnürten Stapel Felle, verschloss die Tür des Magazins, und sie gingen schwankend über den knirschenden Altschnee zum Haupthaus der Stadt Bokajgol.
    In den Fenstern ihres Hauses brannte Licht, es brannte mit ungewöhnlich hellem, gelbem Schein. Und von irgendwoher vernahm man ein leises, doch unaufhörliches Sum-men.
    „Na, wie geht es?“, empfing sie der Funker Petrow.
    Er stand im Vorderzimmer in einem eigenartigen ge­­blümten Morgenmantel, der ihm bis zu den Knöcheln reichte. Im Haus war es warm, es schien, als hätte er vor Kurzem beide Öfen eingeheizt.
    „Alles in Ordnung“, antwortete ihm Dobrynin und zog wegen der unerwarteten Wärme seinen Pelz aus.
    „Bei uns ist immer alles in Ordnung“, lächelte Petrow. „Der Tee ist noch heiß, möchten Sie etwas essen?“
    Dobrynin nickte entschieden.
    Fünf Minuten später saßen sie schon am Tisch und aßen zu Abend. Dobrynin verstrich mit Behagen fette, gelbe Butter auf einer dicken Scheibe Schwarzbrot, gab Salz darauf, dann biss er ein sehr großes Stück ab und trank süßen Tee hinterher. Auf dem Tisch lag auch noch ein eingesalzener Fisch, den der Volkskontrolleur nicht kannte und der durch sein rotes Fleisch auffiel. Petrow, der offenbar bereits satt war, aß nichts und trank nur Tee. Waplachow kaute ein Stück von dem roten Fisch und trank gleichfalls Tee, wobei er dem Funker hin und wieder angespannte Blicke zuwarf.
    „Jetzt können Sie sich ein paar Tage ausruhen!“, sagte Petrow, während er an seinem Tee nippte. „Die Nacht bricht an, und die Nächte sind hier lang, das wissen Sie wahrscheinlich. Obwohl diese Nacht etwas kürzer wird … sieben, acht Tage …“
    „Was summt da eigentlich so?“, fragte Dobrynin unvermittelt und mit Blick nach draußen.
    „Ach das, das ist der Generator! Er liefert Strom für die Funkstation und das Licht. In fünf Minuten schalte ich ihn aus. Wozu brauchen wir in der Nacht Licht?“
    Nachdem er seinen Tee ausgetrunken hatte, wünschte Petrow dem Kontrolleur und seinem Gehilfen eine Gute Nacht und ging hinaus.
    „Nun schau, was dort geschrieben steht!“ Dobrynin sprang vom Tisch auf, zog den Stapel rechteckiger Felle mit den unverständlichen Aufschriften unter seinem Bett hervor und hielt ihn Waplachow hin. Dmitrij knüpfte die Schnur auf und nahm die oberste „Seite“ in die Hand. Sein Mund öffnete sich leicht, sein Gesicht nahm einen nachdenklichen Ausdruck an.
    „Was steht da?“, drängte ihn Dobrynin.
    „Sehr schwierig“, entgegnete der Urku-Jemze kopfschüttelnd. „Das ist auf alte Weise geschrieben … Ich muss mich an diese Sprache erst wieder erinnern.“
    „Dann erinnere dich!“, bat der Volkskontrolleur, dessen Gesicht nun äußerste Ungeduld ausdrückte.
    „Ich kann

Weitere Kostenlose Bücher